1. PSYCHOTHERAPIE MIT PAAREN MIT DEM SKRIPT-SYSTEM

Workshop zur Jahrestagung des Verbandes
Österreichischer Ehe- und Familienberater
Salzburg, Juni 1990

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In der transaktionsanalytischen Arbeit mit Paaren ist ein wesentlicher Gesichtspunkt der, daß Menschen sich ihre Partner (unterbewußt) so auswählen, daß sie sich in der Beziehung ihre destruktiven Lebenspläne (Skripts) immer wieder bestätigen und dadurch verstärken.

Das Skript entsteht in der früheren Lebensgeschichte unter dem Druck, mit den nachteiligen, oft bedrohlichen Aspekten der Welt besser zurechtzukommen - um zu überleben. Das Kind 'entscheidet' sich dafür, bestimmte Gefühle nicht mehr zu zeigen, bestimmte Verhaltensweisen, die Erfolg bringen, immer wieder einzusetzen, bestimmte Dinge über  sich, die anderen Menschen und das Leben zu glauben. Ist dieses Bild vom Leben einmal geformt, wird die Realität immer wieder unter diesem Blickpunkt erlebt und umdefiniert, um das Skript zu rechtfertigen.

Das heißt: Menschen, die sich als Kinder entschieden haben, daß sie allein zurechtkommen müssen und ihre Gefühle von - sagen wir - Schmerz und Verletzlichkeit besser nicht zu zeigen, werden in ihrem Leben als Erwachsene immer wieder Erfahrungen machen, die ihnen bestätigen, daß es so tatsächlich für sie das Beste ist. Ihre Beziehungen werden so verlaufen, daß sie sich letztlich immer wieder allein fühlen werden und ihren Schmerz darüber nicht fühlen dürfen.

Folgerichtig müssen solche Menschen sich Partner suchen, die mit ihrem eigenen Skript das des anderen ergänzen. In unserem Fall also beispielsweise jemand, der auch für sich herausgefunden hat, daß Nähe gefährlich und daß Menschen nicht zu trauen ist.

Paare, die Konflikte miteinander haben, haben sie deswegen, weil ihre Skripts ineinander verwickelt sind. Es ist daher notwendig, in der Arbeit mit ihnen - ausgehend von dieser Verwicklung im Hier und Jetzt - auf die individuelle Basis in der Lebensgeschichte der Einzelpersonen hinzukommen.

Die Transaktionsanalyse (TA) bietet mit Hilfe des Racket-Systems (Erskine/Zalcman) ein wirksames Mittel, um direkt am Hier- und- Jetzt-Verhalten eines Menschen sein Skript zu 'entschlüsseln'.

Das Racket (oder Skript-)-System ist nach der Definition von Richard Erskine und Marylin Zalcman (1979) ein 'verzerrtes, sich selbst verstärkendes System von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, das von skriptgebundenen Menschen aufrechterhalten wird'. (Das amerikanische 'racket' ist nicht übersetzbar und bedeutet etwa so viel wie 'Verstrickung' oder ' wiederholte Verwicklung'.)

Es besteht aus 'drei aufeinander bezogenen und wechselseitig voneinander abhängigen Komponenten: den Skriptüberzeugungen und -gefühlen, dem 'Durchspielen des Rackets im Verhalten und den verstärkenden Erfahrungen und Erinnerungen’. (vgl. Abbildung 1)

Das heißt kurzgefaßt: jemand, der z.B. von sich glaubt, daß er immer alleine bleiben und von niemandem geliebt wird, verhält sich so, daß das auch wirklich eintritt. In diesem Moment tauchen in ihm all die früheren Erfahrungen und Erinnerungen auf, wo es ebenso war - und das wiederum bestätigt ihm seinen vorherigen Skriptglauben: 'keiner mag mich, und ich bleibe mein Lebtag allein'.

Arbeit mit dem Racket-System heißt: von diesem aktuellen Punkt ausgehen und hinkommen zu den frühen Erfahrungen eines Menschen, aus denen er die Schlußfolgerung gezogen hat, daß es immer so sein wird. So kann dann therapeutische Neuentscheidung und Durcharbeiten traumatischer Erfahrungen möglich werden. Wesentlich dabei ist es, an die im Prozeß der Skriptentscheidung unterdrückten und abgewehrten Gefühle heranzukommen; dann können die frühen schmerzlichen Erfahrungen innerlich abgeschlossen und bewältigt werden und der Mensch für Neues und anderes in seinem Leben und im Kontakt zu anderen Menschen offen werden.

Das Racket-System ist das Instrument, mit dem das Skript im Alltag, von Tag zu Tag und Stunde zu Stunde weiter vorangetrieben und verfestigt wird. Daher spielt es jeder Mensch auch immer und immer wieder aus, selbstverständlich auch und gerade in der Situation von  Therapie und Beratung. Das gilt für Einzeltherapie (vor allem im Rahmen der Übertragungsbeziehung), das gilt für Therapiegruppen, aber am intensivsten erleben wir das in der Arbeit mit Paaren. Jedes Paar verwickelt sich vor den Augen des/der Therapeuten/in wieder und wieder in sein komplementäres Muster aus zwei ineinander verflochtenen und einander ergänzenden Racket- oder Skript-Systemen. Das passiert sowohl wenn das Paar einen Konflikt miteinander erzählt als auch im Hier und Jetzt der Therapiesituation.

An einem Fallbeispiel möchte ich Möglichkeiten therapeutischer Interventionen aufzeigen.

G. und H., beide Mitte Dreißig und seit elf Jahren verheiratet, kommen seit etwa drei Monaten zur Paartherapie. Ursprünglich kam G., die Frau, alleine, weil sie sich depressiv und vereinsamt fühlte, seit das erste Kind vor sechs Jahren geboren wurde. Nach zwei Einzelstunden machte sie selbst den Vorschlag, ihren Mann mitzubringen - "zumindest für ein paar Stunden, damit er einmal sehen und verstehen kann, wie's mir geht".

Hier kündigt G. bereits den Einstieg in ihr Racket-System an (indirekt über die Phantasie: 'er versteht mich ja doch nicht').

H. ist einverstanden und übernimmt dann für die nächsten Stunden sehr die Initiative in der Paartherapie, indem er viel redet, viel erklärt und allen Argumenten und Einwänden zuvorzukommen versucht.

Auch H.'s Racket-System beginnt hier, greifbar zu werden: im Hintergrund werden Skriptüberzeugungen wie 'ich muß alles allein machen, keiner unterstützt mich' erahnbar.

Es ist wichtig, nicht zu früh mit trennenden Interventionen in die verwickelten Racket-Systeme einzugreifen: erstens würden sich die Klienten noch nicht sicher genug fühlen, tiefer unter ihre Oberfläche blicken zu lassen, und zweitens wird das System manifester und das Intervenieren des/r Therapeuten/in für die Klienten besser nachvollziehbar.

Es wird deutlich, daß G. auf diese Überaktivität H.'s mit Rückzug reagiert: sie redet wenig, nur, wenn ich sie frage, ihr Gesichtsausdruck wird starr, ihre Körperhaltung verkrampft. Ohne das verbal zur Kenntnis zu nehmen, nimmt es H. dennoch offensichtlich wahr: er sieht öfter mit kurzen, ängstlichen Seitenblicken auf seine Frau und beschleunigt darauf sein Sprechtempo. So einen Punkt nehme ich schließlich als Ausgang für meine Interventionen.

TH: Ich möchte Sie hier einmal unterbrechen, H.

H: (schüttelt den Kopf, runzelt die Stirn): Bitte?!

TH: Ja. Ich möcht' Ihnen gern eine Wahrnehmung von mir mitteilen - und auch Ihnen, G. Einverstanden?

H: Na dazu sind wir doch hier!!!

G: Hm. (Nickt kurz)

TH: Gut. Meine Wahrnehmung war die: Sie, H., haben jetzt etwa fünf Minuten lang gesprochen -

H: hebt die Hände mit andeutungsweise geballten Fäusten vor die Brust): Darf man das denn hier nicht? Wird hier die Zeit gestoppt?

H. ist offensichtlich bereit, sich zu mir hin in sein Racket-System zu verwickeln. In einer Einzeltherapiesituation wäre das ein guter Punkt, von hier aus seine Skriptüberzeugungen und -gefühle zu analysieren. Unter den gegebenen Umständen aber gehe ich davon aus, daß er dadurch den Konflikt von seiner Frau zu mir zu verschieben versucht.

TH: Ich will Sie nicht kritisieren, H. Ich will auch nicht, daß Sie meinetwegen etwas anders machen. Ich will Ihnen meine Wahrnehmung mitteilen.

H: Na gut.

TH: Ja. Sie haben gesprochen, und in dieser Zeit haben Sie, G., so eine Art leeren Blick gekriegt, und ihre Lippen zusammengepreßt.

H: (lacht bitter auf) Ha! Na bitte! Da siehst du's! Andere kriegen das auch mit, wie du zu mir bist!!

G: (Dreht sich ein Stück weg)

Ich entscheide mich, nicht weiter mit meinen Beobachtungen fortzufahren, sondern direkt hier einzuhaken.

TH: Okay. Was geht jetzt, genau in diesem Moment, in Ihnen beiden vor?

H: Ja, da krieg’ ich eine Wut! Immer dasselbe, immer dasselbe! Da bin ich einmal bereit, mit ihr zu reden, und sie zieht sich wieder zurück - ja, was soll denn das Ganze noch?

TH: Mhm. Und Sie, G., was geht in Ihnen vor?

G: Wozu soll ich da noch lang reden? er weiß ja sowieso alles besser!

H: Was heißt besser wissen, das ist jahrelange Erfahrung, und ich weiß gar nicht, was das alles noch bringen soll! Am besten ist wohl, ich geh' gleich! Hab' ja meine Zeit nicht gestohlen!

G: Dann geh' doch!!

TH: Nein, Sie gehen jetzt nicht. - Wollen Sie beide schauen, wie sich das jetzt im Moment anfühlt, in Ihnen drin?

G: Ts! Als ob das wen interessieren würde!

H: Zum Platzten! Zum Platzen ist das!

An dieser Stelle sind die komplementären Racket-Systeme durchgespielt.

Jeder verstärkt das System für sich, indem er/sie sich so verhält, daß am Ende das herauskommt, was er/sie von vornherein gewußt hat. Gleichzeitig verstärken sie sich ihre Systeme gegenseitig: jeder verhält sich so, daß der andere die verstärkende Erfahrung erlebt und innerlich in Kontakt mit den verstärkenden Erinnerungen kommt

An diesem Punkt ist es therapeutisch der 'Knackpunkt', die Verwicklung zu trennen und jeden der beiden Partner aus sich und seine lebensgeschichtlichen Erfahrungen zurückzuführen.

TH: Gut. So was Sie im Moment erleben, H, ist, daß Sie sich bemühen, und G. zieht sich zurück, und Sie möchten am liebsten davonlaufen?

H: Ja.

G: Ts! Bemühen!

TH: Einen Moment. Und was Sie erleben, G, ist, daß er sie überhaupt nicht beachtet, und Sie möchten ihm am liebsten weghaben?

G: Ja.

H: Was heißt nicht beachten? Ich -

TH: Es geht mir darum. was jeder für sich erlebt, nicht was der andere dabei im Sinn hat. Sind Sie beide bereit, das einmal zur Kenntnis zu nehmen - egal, was Ihre wirklichen Absichten sind? Daß H. sich bemüht erlebt und Sie, G. zurückgezogen? Und daß G. sich nicht wichtiggenommen erlebt und sie, H., als Lösung nur wegwünschen kann?

H: Ja, aber -

TH: So erlebt sie's. Ich glaube Ihnen Ihre gute Absicht.

G: Hm.

TH: Okay. Und jetzt - Frage an Sie beide: sind das Erfahrungen, die Sie kennen.

G: Klar. Immer.

H: Ha! Was für eine Frage!

TH: Mhm, das denke ich mir. Und jetzt - wie fühlt sich das an, tief im Herzen drin: nicht wichtiggenommen zu werden, G.? Verlassen zu werden H.?

G (nach langem Schweigen): Da ist nur Leere in mir.

H: Ja. Das muß auch sehr leer sein, wenn man sich nie, nie, nie wichtig fühlen darf. Pause) Kennen Sie das, wenn Sie ein kleinen Mädchen sind?

G (langsam): Meine Eltern haben die ganze Zeit nur gestritten, die waren immer nur mit sich beschäftigt ...

TH: Und was wäre passiert, wenn Sie gesagt hätten: He, schaut’s einmal mich an! Ich will auch wichtig sein!

G: Das hätten sie ignoriert.

TH: Ja. Und wie fühlt sich das an?

G: So ganz tief da drinnen, da spür ich eine unheimliche Wut ...

TH: Ja!

G: ... so, ihr blöden Schweine, denkt's doch auch einmal an mich!

Ich bin auch noch da!! (Stimme wird lauter)

TH: Ja! Sagen Sie's laut zu Ihren Eltern als kleines Mädchen!

G (Pause) Aber die hören's ja doch nicht.

TH: Sie ziehen sich zurück. Das ist, wie Sie's gelernt haben, sich zurückzuziehen.

G (nickt)

H (hat mit wachsendem Interesse zugehört): Und heut macht sie's genauso!!

An dieser Stelle ist die Gefahr groß, daß beide wieder in ihre Systeme einsteigen.

TH: Moment, H. So weit sind wir noch nicht. Bleiben Sie einmal bei ihrem Gefühl, G. Und Sie, H. - wie fühlt sich's an, immer, immer wieder alleingelassen zu werden?

H: Das ist halt so im Leben:

TH: Ob's so ist oder nicht -wie fühlt sich's an?

H: Weiß nicht. Fühlen ...

TH: Wer hat Sie verlassen, wie sie ein kleiner Bub waren?

H: Kann mich nicht erinnern.

TH: Mhm. Könnte es sein, daß da wer war?

H: Weiß nicht.

TH: Wie war denn ihre Mutter zu Ihnen?

H: Die hat sich immer nur um die jüngeren Geschwister gekümmert und um den Vater. Ich war nur gut dazu, auf die Kleinen aufzupassen. Du bist je schon groß, hat es geheißen. Und so war das wohl.

TH: Nein, so war es nicht. Sie waren klein!

H (nickt)

TH: Sehr klein. Viel zu kleine, um schon erwachsen zu sein.

H: Ja, schon, aber was hätt ich tun sollen? So war ich dann halt der Brave.

TH: Genau. Besser ein bißchen Zuwendung als gar keine.

H: Sicher.

TH: Mein Gott, das wär schön gewesen ...

TH: Ja. Was fühlen Sie?

H: Weh tut's ...

TH: Ja. Sehr, sehr weh. Aber Sie haben gelernt, daß mit Wehtun nichts zu gewinnen ist - sondern nur mit Hartmachen und viel Bemühen.

H: Mhm ...

Jetzt ist ein wichtiger Punkt erreicht: jeder der beiden Partner ist ein Stückchen in Kontakt mit seinem eigenen Skript und hat begonnen, sich aus der Verwicklung mit dem anderen zu lösen. Grundsätzlich kann therapeutisch jetzt mit jedem an seiner eigenen Geschichte gearbeitet werden. Zuvor ist jedoch - nachdem ein Stück Trennung der alten Verwicklung stattgefunden hat - ein Stück Zusammenführen auf neuer Ebene notwendig. Denn nur wenn jeder genügend emotionelle Unterstützung vom anderen fühlt, wird es sich in dessen Gegenwart weiter an seine frühen Verletzungen wagen. Und nur, wenn der andere auf kognitiver und emotioneller Ebene den Prozeß des Partners mitvollziehen kann, kann er auch vermeiden, genau an dieser Stelle wieder destruktiv einzusteigen (aus Empfindungen wie z.B. Genugtuung, Triumph, 'endlich geht es ihr auch einmal dreckig' USW)

TH: Ja. Ich denke, Sie haben jetzt beide ein wichtiges Stück bei sich entdeckt. Sie, G., wie Sie sich immer wieder auf dieselbe Weise in ihrem Leben nicht beachtet fühlen und ihre Wut darüber schon seit 35 Jahren unterdrücken.

(nickt)

TH: Und Sie, H., daß Sie auch heute noch zu Zeiten herumlaufen wie ein verlassener kleiner Bub, der die Zähne zusammenbeißen und stark sein muß - statt sein ganzes Elend herauszuweinen.

H (nickt mit Tränen in den Augen)

TH: Was ich jetzt vorschlage, ist, daß Sie beide sich anschauen und sich gegenseitig erzählen von dem, was in Ihnen vorgeht.

H (hebt den Kopf): G. - weißt du, ich merk' jetzt eigentlich - sie schaut mich je schon wieder nicht an!

TH: Und Sie reagieren wieder in Zorn.

H (atmet tief)

TH: Ja. Wollen Sie ihn anschauen, G., auch wenn's schwerfällt?

G (hebt zögernd den Kopf): Na gut.

TH: Schön!

G: Ich hab manchmal so einen unbändigen Zorn. Und ich weiß schon, daß manches davon nicht dir gehört, sondern viel früher aus meinem Leben ist. Aber manches davon gehört auch die, und das sollst du dir endlich einmal anhören!

H: Ich glaub, ich versteh' dich. Und mir - weißt du, mir tut's manchmal so weh, wenn du so weit weg von mir bist, und dann glaub ich einfach, ich muß trotzig werden ...

TH: Das find' ich sehr ehrlich, wie Sie miteinander reden. (Pause): Wollen Sie sich noch etwas sagen? (Beide schütteln den Kopf) Mhm. G., wie fühlt sich das an, wenn Sie Ihrem Mann zuhöen bei dem, was er Ihnen gesagt hat?

G: Verschieden - ein Teil von mir will das gar nicht hören, so quasi, daß es auch ein Mensch ist und auch leidet. Aber auch, daß wir eigentlich gar nicht so weit auseinander sind, mit dem, was wir wirklich wollen.

TH: Mhm. Nämlich?

G: Ja, jemanden der einen versteht und der lieb ist.

TH: Ja. Nähe, Liebe und Geborgenheit.

H: Mhm.

TH: Wie geht's Ihnen mit dem, was G. Ihnen gesagt hat, H.?

H: Ja, ganz drinnen ein bisserl Angst, wenn sie so wütend ist. Daß Sie mich verlassen könnte. Ja.

TH: Ja. Das ist ein wichtiges Gefühl, und für das wird noch Zeit genug sein, H. - Ich möcht Ihnen beide gern sagen, daß ich das berührend find, wie Sie in den letzten fünf Minuten miteinander geredet haben. Ja, schauen Sie sich ruhig an, das ist wichtig. (Pause) Ich denk, das war eine ganze Menge für heute. Wie geht's Ihnen jetzt?

G: Ich weiß noch nicht recht - ein bißchen, ein bißchen unsicher noch.

TH: Ja. Das ist ja auch noch sehr neu.

G: Ja. Aber eigentlich - nicht so schlecht ...

TH: Seien Sie ruhig vorsichtig mit sich, das ist sehr wichtig jetzt, wenn Sie beginnen, Dinge von sich herzuzeigen, die Sie nach kaum jemandem gezeigt haben. - Und wie geht's Ihnen, H.?

H: Irgendwie ruhig, und auch erleichtert. Aber auch aufgewühlt. Das hätt' nicht geglaubt, was da alles noch da ist.

TH: Mhm. Ich schlage Ihnen vor, in den nächsten Tagen sehr vorsichtig mit sich selbst und auch miteinander umzugehen. Das ist ein sehr zartes Pflänzchen, das da zu keimen begonnen hat. Was werden Sie jetzt, unmittelbar nach der Stunde, tun?

G: Wir haben noch ein bißchen Zeit. Ich möchte gern ein bißchen allein spazierengehen, und nachdenken.

H:Hm ...

TH: Wie kommt das bei Ihnen an, H.?

H: Ja ...

TH: Löst's Angst aus?

H: Hm, wenn ich darüber nachdenk, eigentlich nicht. Eigentlich würd' ich jetzt auch gern allein sein. Vielleicht reden wir heut' abend noch einmal drüber?

G:Mhm. Gern.

TH: Hm. Hört sich gut an, so, wie Sie jetzt miteinander reden.

 

Wie kann es jetzt, nach dieser Stunde, mit G. und H. weitergehen? Im Prinzip ist jetzt ein längeres Stück Skriptarbeit, d.h. Arbeit für jeden einzelnen von ihnen möglich und sinnvoll. Noch wichtiger als in einzeltherapeutischer Arbeit ist dabei aber die Integration, das heißt die Umsetzung der neuen Entscheidungen in als alltägliche Leben (siehe dazu auch Sejkora 1989). Stück für Stück in dem Maß, wie die Partner ihre Verwicklungen lösen und jeder ein Stück eigene Identität gewinnen kann, ist es notwendig, sie auch immer wieder zusammenzuführen und immer wieder auch neue Paar-Identität gewinnen zu lassen. Das kann auf verschiedene Weise gehen: so, wie oben dargestellt, oder indem die beiden neue Verhaltensweisen miteinander erarbeiten und ausprobieren, oder an der konkreten Austragung und Lösung eines konkreten Konflikts. Denn die gemeinsam verwickelten Racket-Systeme sind ja bis zur Gegenwart essentieller Bestandteil der Beziehung gewesen; wenn wir als Therapeuten/innen dem Paar diese destruktive Grundlage nehmen, ohne Raum für die schrittweise Erarbeitung von Neuem zu geben, wird die Beziehung vermutlich auseinanderbrechen.

Literatur:

Erskine, R.G./Zalcman, M.: The Racket-System. In: Transactional Analysis Journal, Vol. 9/1979

Sejkora, K.: Männer unter Druck. Wege aus typisch männlichen Lebenskonflikten. Anton Pustet Verlag Salzburg, 1989

 

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