8. COACHING UND SUPERVISION: UNTERSCHIEDE UND GEMEINSAMKEITEN

Einleitung

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Coaching und Supervision sind gängige Begriffe für professionelle Verfahren berufsbegleitender Unterstützung. Die zunehmende Anwendung dieser Verfahren im Profit- und Non-Profit-Bereich erhöhen das Bedürfnis nach Qualifikation und Ausbildung für Coaches und Supervisoren, wobei den sich rasant entwickelnden Technik- und Methodenkatalogen (Buchner 1990, Cornell 1994, Fauser 1994, Köster 1994, Looss 1994, Schreyögg 1992, Sejkora 1994) in diesen Feldern oft schwammige und unklare Grunddefinitionen gegenüberstehen. Das wiederum behindert die Entfaltung einer tatsächlichen Professionalität. Dementsprechend hilf- und ratlos sind daher oft Coaches/ Supervisoren hinsichtlich dessen, was sie nun wirklich tun und in welche Richtung sie gehen sollen; ebenso ratlos sind andererseits auch die Hilfesuchenden (Firmen, Institutionen, Einzelpersonen), was ihnen für Ihre jeweiligen Bedürfnisse tatsächlich geboten werden kann und wo sie es kompetent erhalten können.

In diesem Artikel versuche ich eine Abgrenzung der beiden Bereiche und schlage Definitionen für Coaching und  Supervision vor. Diese Begriffsklärung stellt die Basis sowohl meiner Arbeit als Coach und Supervisor als auch der Ausbildung, die unser Institut für Coaching und Supervision anbieten, dar.

 

Sowohl Coaching als auch Supervision lassen sich am Schnittpunkt verschiedener anderer Verfahren darstellen:

Beide - Coaching und Supervision - überschneiden sich gegenseitig und integrieren Elemente aus Training, Beratung, Personal- und Organisationsentwicklung sowie aus der Psychotherapie.

Gegenüber diesen Methoden ist die Abgrenzung relativ leicht: weder Supervision noch Coaching sind in der Hauptsache regressiv-reparative Verfahren und daher deutlich von der Psychotherapie unterschieden, wenn auch in unterschiedlichem Maß psychotherapeutische Aspekte einfließen können (Sejkora 1994). Auch beratende Techniken werden wohl angewandt werden, trotzdem geht es nicht um eine ‘Lebensberatung’ im umfassenden Sinn, sondern um eine auf die berufliche Tätigkeit fokussierte Situation. Wenn es dabei primär um strukturelle Veränderungen und Maßnahmen in einem Betrieb, einer Institution oder einer anderen Organisation geht, haben wir es eher mit Organisationsentwicklung zu. Wie im folgenden herausgearbeitet werden wird, überschneidet sich letztere eher mit dem Feld der Supervision, während Coaching mehr Verwandtschaft zur Personalentwicklung zeigt.

In den letzten Jahren hat sich zwischen den beiden Begriffen vor allem die Unterscheidung eingebürgert, daß man ‘Coaching’ berufsunterstützende Verfahren im Bereich v.a. von Wirtschaftsunternehmen nennt, ‘Supervision’ solche in non-profit-Einrichtungen v.a. im psychosozialen und pädagogischen Bereich (vgl. Schreyögg 1993).

 

Unseres Erachtens ist es unzulässig, die Unterscheidung nach diesen Kriterien anzusetzen, da sie eine saubere Trennung und eigenständige Definition im Sinne professioneller Handlungsanleitung erschwert.

 

Was ist COACHING?

(Dieser Abschnitt  folgt einer von Köfler/Sejkora <1995> entwickelten Konzeption)

  • 1. Coaching ist ein unterstützendes Verfahren für berufsspezifische Problemsituationen und geschieht immer im Auftrag eines Unternehmens oder einer Organisation (und damit über die Finanzierung durch den Auftraggeber). Alles, was berufsunterstützend aufgrund der Eigeninitiative und der Eigenfinanzierung von Mitarbeitern geschieht, ist nicht Coaching.
  • 2. Coaching geschieht auf der Basis eines Dreiecksvertrages (English 1981):

Dieser Aspekt ist zentral in der Arbeit des Coaches, da er/sie damit sowohl dem/den Klient/en als auch der auftraggebenden (und bezahlenden) Einrichtung verpflichtet und verantwortlich ist. Ziel ist daher immer die besser Kommunikation und Kooperation zwischen der gecoachten Person und dem Unternehmen/der Organisation.

  • 3. Coaching ist handlungsorientiert, d.h. Ziel ist die Erarbeitung von problemlösenden Handlungsweisen. Dementsprechende Bedeutung erhält auch der Vertrag (Stewart/ Joines ..., Stewart ....) zwischen dem Coach und dem/der Gecoachten, der in aller Regel deutlich ziel- und veränderungsorientiert sein wird.
  • 4. Der Coach muß nicht unbedingt von außerhalb des Unternehmens oder der Organisation kommen, sondern kann auch z.B. eine für diese Aufgaben speziell geschulte Führungskraft sein. Allerdings unterscheiden sich die Interventionstechniken eines von innen kommenden Coaches meist deutlich von denen eines außenstehender: letzterer hat die Möglichkeit, wesentlich direktiver zu intervenieren.
  • 5. Prozeßverlauf  des Coachings:Coaching verläuft in einem hierarchischen Prozeß: Ausgangspunkt ist das konkrete Verhalten bzw. die Probleme damit; von dort wird auf die reflexive (Denk-) Ebene übergegangen, um die entsprechenden Blockaden festzustellen, die für das Problem mitverursachend sind. Diese Blockaden wiederum lassen sich durch emotionelle Prozesse lösen, um dann wieder zurück auf die (nun nicht mehr blockierte) Denk- und von dort auf die Handlungsebene zurückzukommen.

Fallbeispiel 1:

Das Team einer Wohneinrichtung für psychisch Kranke ersucht um ‘Fallsupervision’. Von der Definition her liegt allerdings eine klare Indikation für Coaching vor: es geht um die Lösung berufsspezifischer Probleme; Auftrag- und Geldgeber ist die Trägereinrichtung (es gibt daher einen Dreiecksvertrag Coach - Team - Träger); im Fokus ist die Verbesserung der Handlungsfähigkeit, d.h. der verbesserte Umgang mit den psychisch Kranken. Damit ist auch der Inhalt der vertraglichen Vereinbarung klar.

In der ersten der insgesamt 12 Sitzungen schildert ein Betreuer einen Patienten, der durch seine Passivität auffällt: er verweigert immer wieder die Teilnahme am Beschäftigungsprogramm, und auch in den Therapiesitzungen, so der Betreuer „geht nichts weiter.“ (Problemstellung, ausgehend vom Verhalten)

 

Coach: Warum muß denn unbedingt was weitergehen?(Übergang zur Denkebene)

Betreuer: Weil das doch der Sinn unserer Einrichtung ist: daß was weitergeht, daß die Leute rehabilitiert werden und eines Tages auch entlassen werden können.

C: Ja, schon, insgesamt, aber muß denn pausenlos was weitergehen?

B: Na ja, das ist doch irgendwie das Ziel von dem Ganzen... (Denkblockade wird sichtbar)

C: Das Ziel der Einrichtung ist, daß unentwegt was weitergeht?

B: So kann man das nicht sagen. Als globales Ziel, ja, aber natürlich darf es in Prozessen auch Stillstände geben.

C: Heißt das, daß es Ihr Ziel ist, daß ständig etwas weitergeht?

B: Hm - könnte schon sein, ich mach’ mir da wirklich einen unheimlichen Druck, daß beim Herrn A. was weitergehen soll.

C: Denn wenn nichts weitergeht?

B: Dann bin ich ein schlechter Therapeut.

C: Das ist Ihre Angst?

B: Ja. (emotionale Ebene)

C: Warum müssen Sie perfekt sein?

B: Weil - nein, um meine Stelle habe ich keine Angst. Eher, daß die Kollegen mich sonst nicht anerkennen würden.

C: Und jetzt, in dieser Sitzung, wo Sie Ihre Schwäche zeigen, haben Sie da das Gefühl, daß Sie die Anerkennung der Kollegen verlieren?

B (schaut in die Runde): Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, das geht weiter zurück in meinem Leben. Das hat nichts mit Euch zu tun. (Lösung der emotionellen Blockade) - Aber wenn ich so unter Druck bin, ist es kein Wunder, daß der Herr A. auch unter Druck kommt... (verbesserte Denkfähigkeit)

C:...und sich verweigert.

B: Das heißt, er braucht, daß ich ihm zugestehe, daß er auch einmal stehenbleiben darf in seiner Entwicklung. (Problemlösungsfähigkeit hergestellt).

Fallbeispiel 2:

Der Personalchef eines  mittelgroßen Handelsbetrieb ersucht um Coaching für den Leiter einer Abteilung, der (selber aus der ‘guten alten Schule’ kommend) Schwierigkeiten mit seinen jungen, aber qualifizierten Mitarbeitern hat bzw. diese mit ihm und seinem autoritären Führungsstil. Im Erstgespräch mit Herrn F. entwickelt sich folgender Dialog:

 

Coach: Und was könnten denn Sie sich vorstellen, daß Sie von unseren Sitzungen profitieren könnten?

Herr F.: Sie, das weiß ich selber nicht. Ich bin ja nicht hier, weil ich irgendwelche Schwierigkeiten habe. Wenn’ s nach mir ginge, dann sollten diese jungen Spunde sich vielleicht beraten lassen, die haben Schwierigkeiten, nicht ich.

C: Welche Schwierigkeiten haben die?

F: Na ja, Klugscheißer sind’s, die lassen sich nicht gern was sagen von einem alten Hasen. Ich hab’ halt das Handwerk von der Pike auf gelernt, wie man so schön sagt.

Klar bin ich auch rauh angefaßt worden, aber geschadet hat’s mir nicht.

C: Und Sie fassen jetzt Ihre jungen Mitarbeiter auch so rauh an?

F: Natürlich, wo hätte ich denn was anderes lernen sollen?

C: Würden Sie denn gerne was anderes lernen?

F: Nein. Wozu auch?

C: Na, ist das eine angenehme Situation für Sie, wenn sich Ihre Mitarbeiter dauernd an Ihnen reiben?

F: Angenehm, was heißt schon angenehm. natürlich wär’s mir lieber, die würden einfach machen, was man Ihnen sagt, und basta.

C: Sehen sie, und vielleicht geht’s einfach darum: sich neue Strategien zu erarbeiten, wie Sie Ihre Mitarbeiter besser dazu bringen können, das zu tun, was Sie sagen.

F: Also zu meiner Zeit...

C: Das glaub’ ich Ihnen, Herr F. Aber die Zeiten haben sich geändert. Und damit auch die Anforderungen an Unternehmen wie das Ihre.

F: Das ist wahr. Manchmal frag’ ich mich, ob ich noch in diese Zeit passe.

C: Ich denke schon, daß sie mit Ihren Erfahrungen da sehr nützlich sein können für das Unternehmen. Was halten Sie davon, in diesen Gesprächen mit mir Möglichkeiten zu erarbeiten, wie Sie besser in diese Zeit und in die veränderte Firma passen könnten?

F: Hm, na ja, das könnt’ ich mir schon vorstellen.

C: Dann schlage ich Ihnen vor, daß wir vorerst einen Rahmen von 5 Sitzungen vereinbaren.

F: Einverstanden. Ich kann’s ja probieren.

 

An diesem Beispiel wird die Handlungsorientierung und die Konzentration auf die Inhaltsebene (anhand des Vertrages) deutlich.

 

Was ist Supervision?

Analog zu den für Coaching aufgestellten Kriterien läßt sich Supervision wie folgt definieren:

  • 1. Supervision ist ein unterstützendes Verfahren für berufsspezifische Probleme, das sowohl im Auftrag von Unternehmen oder Organisationen als auch aufgrund der Eigeninitiative von Einzelpersonen und oder Personengruppen geschehen kann.
  • 2. Dementsprechend kann es, muß aber nicht zwingend Dreiecksverträge für den Supervisionskontext geben.
  • 3. Im Unterschied zum Coaching verläuft Supervision für Teams oder Gruppen unter wesentlich anderen Gesichtspunkten als Supervision für Einzelpersonen.

 

Einzelsupervision: Hier ist der Fokus nicht wesentlich von dem des Einzelcoaching unterschieden (also auch im wesentlichen handlungsorientiert) - mit der Ausnahme, daß es keinen Dreiecksvertrag gibt, also daß die Supervision nicht nur in erster Linie vom Supervisanden gewünscht, sondern vor allem auch bezahlt wird. Dadurch, daß der Supervisor hier - im Gegensatz zum Coach - dem Dienstgeber nicht mitverantwortlich ist, sondern ausschließlich seinem Klienten, ergeben sich natürlich andere Blickwinkel und oft auch andere vertragliche Ziele (s. Fallbeispiel im folgenden).

Ein Sonderfall ist dabei Supervision im Aus- und/ oder Weiterbildungskontext.

Teamsupervision:  Hier handelt es sich in der Regel um ein längerfristiges Verfahren, bei dem - wieder im Unterschied zum Coaching, aber auch zur Einzelsupervision - handlungsorientierte Gesichtspunkte eher hinter prozeßorientierten zurücktreten. Ziel der Teamsupervision ist es, einem Team zu Lösungs-, d.h. Konfliktfähigkeit zu verhelfen. Daraus können sich letztlich Handlungsschritte ergeben, müssen aber nicht unbedingt (zumindest nicht im Aufgabenbereich der Supervision). Vielmehr geht es darum, ein Team in einem längeren Prozeß dabei zu unterstützen, als Endziel selbst und ohne Supervisor oder Coach Lösungen erarbeiten zu können.

  

In diesem Prozeß werden 4 Phasen unterschieden (Sejkora 1994):

  • A. die Beratungsphase (Eingangsphase): der Fokus liegt auf der Exploration  des/der Problems/Probleme
  • B. die Selbsterfahrungsphase: dabei liegt der Fokus auf der Entwicklung der individuellen Problemlösungsfähigkeit (im persönlich-lebensgeschichtlichen Kontext)
  • C. die Teamphase: hier geht es um das ‘Zusammenwachsen’ von Einzelpersonen zu einem Team
  • D. die Organisationsentwicklungsphase (Abschluß): zentral ist dabei der Transfer des Erarbeiteten auf die Ebene des Gesamtsystems, in dem das Team tätig ist.

Für den Gesamtprozeß läßt sich eine Zeitdauer von etwa 1 ½  bis 3 Jahren ansetzen.

 

4. Ein Supervisor muß ausschließlich von außerhalb des Betriebes kommen, in dem die Supervisanden beschäftigt sind.

 

Fallbeispiel 1:

Die Schulungsleiterin eines Dienstleistungsunternehmens aus dem profit-Bereich, Frau R.,  wendet sich an mich mit dem Anliegen, abzuklären, ob sie ihren Job weitermachen will oder nicht. (Anm.: Ein solches Vertragsziel ist in einer Coachingsituation - wo der Dienstgeber des Klienten gleichzeitig Auftraggeber des Coaches ist - nahezu undenkbar. Im vom Klienten selbst finanzierten Supervisionssetting ist es problemlos möglich.)

In insgesamt 4 Sitzungen wird deutlich, daß Frau R. an sich Spaß an ihrem Beruf hat und auch aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung kompetent dafür ist. Anhand dieses Resümees entwickelt sich folgender Dialog:

 

Supervisor: Also von dieser Seite her könnte Ihre Entscheidung klar sein, Frau R.

Frau R.: Ja, stimmt, von daher könnte ich natürlich sagen, ja, ich mach’ weiter...

S: Aber?

R: Aber wie mache ich meiner Firma das klar?

S: Das heißt, in der Firma wird Ihre Kompetenz nicht gesehen?

R: Ich weiß nicht, die Kompetenz vielleicht sogar, aber die Notwendigkeit der innerbetrieblichen Weiterbildung, da hapert’s.

S:  Das heißt, das wäre auch für jeden anderen kein Honiglecken?

R: Sicher nicht. die ganze Schulungsabteilung ist nur installiert worden, damit man nach außen hin sagen kann, wir haben eine. Sobald ich versuche, ernst zu machen, heißt es, solange kann man die Leute nicht bei der Arbeit entbehren, oder es heißt, da bilden wir die Leute aus, und dann gehen sie damit woanders hin und wir schauen durch die Finger.

S: Bei wem heißt es das?

R: Beim Niederlassungsleiter.

S: Und weiter oben, in der Gesamtleitung des Unternehmens?

R: Da wird mehr oder weniger schön geredet, aber ansonsten interessiert die das herzlich wenig. Die wollen Ihre Zahlen aus unserer Niederlassung haben, ob die Mitarbeiter mehr oder weniger geschult sind, das ist ihnen herzlich egal.

S: Und die glauben Ihrer Meinung nach, zwischen den Zahlen und der Schulung der Mitarbeiter gibt es keinen Zusammenhang?

R: Woher sollen die das wissen?

S: Wenn sie’s mit dem Hausverstand nicht begreifen - dann von Ihnen, Frau R.

R: Von mir?? Na ja, im Grund haben Sie recht... so hab’ ich das noch gar nie gesehen...

In der nächsten Zeit entwickelt Frau R. Schulungskonzepte; über mehrere Sitzungen ist Thema der Supervision, wie sie diese Konzepte bei der Firmenleitung vermarkten kann, d.h. wie sie sich präsentiert. Vom Erfolg oder Mißerfolg dieser Präsentation kann sie es dann abhängig machen, ob sie im Unternehmen bleiben oder die Stelle wechseln wird.

Fallbeispiel 2:

Eine Gruppe von Lehrer/Innen (10 Personen) an einer berufsbildenden Höheren Schule wendet sich mit der Bitte um Supervision an mich. In einer ersten Besprechung werden die Erwartungen der Teilnehmer deutlich:

 

  • mehr Spaß am Lehrberuf finden,
  • mit "schwierigen Schülern" besser zurecht kommen,
  • mit schwierigen Kollegen umgehen können,
  • das Klima mit der Leiterin der Schule verbessern.

In dieser hierarchisch gegliederten Rangordnung finden sich im Grunde alle wesentlichen Punkte wieder, die sinnvolle Teamsupervision berücksichtigen muß: die Selbstverwirklichung im Beruf, das bessere Erfüllen der beruflichen Aufgaben, Verbesserung der Kooperation im Team und der Bereich der übergeordneten Organisation.

Der sinnvolle Ausgangspunkt in der ersten, der Beratungsphase ist die unmittelbare Arbeit, die die Supervisanden zu leisten haben, und die Schwierigkeiten damit.

 

In den drei folgenden Sitzungen wurden folgende Themen diskutiert:

  • die Arbeit mit einer "schwierigen" Klasse, d.h. einer Klasse mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an verhaltensauffälligen Schülern,
  • die Arbeit mit einer passiven Klasse,
  • die Herangehensweise an einzelne, aus verschiedenen Gründen besonders schwierigen Schülern,die Vermittlung verschiedener, für die Schülern weniger interessanter Lehrinhalte.

In der zweiten, der Selbsterfahrungsphase,  geht es darum, die Teilnehmer mit dem persönlichen bzw. persönlichkeits­geschichtlichen Hintergrund ihrer beruflichen Probleme in Berührung zu bringen.  Dabei muß jedoch ein deutlicher Unterschied zu  psychotherapeutischem Geschehen  gemacht werden.

In der sechsten Sitzung der Supervisonsgruppe berichtete Frau K., eine etwa 30-jährige Englischlehrerin zum wiederholten Mal von Schwierigkeiten, die sie mit einem besonders aufsässigen siebzehnjährigen Schüler habe.

K: Ich hab's ja schon öfter erzählt, es ist immer wieder das gleiche: er tut so, als ob ich nicht im Raum wäre, redet laut mit seinen Mitschülern. Wenn ich ihn anspreche, gibt er entweder keine oder freche Antworten. Ich bin wirklich hilflos, jetzt haben wir schon so oft darüber gesprochen, aber alle die Vorschläge, die ihr mir hier gemacht habt, funktionieren nicht. Ich bin einfach hilflos mit ihm.

S: Und was ist es, was Sie da so hilflos macht, wenn er sich so verhält?

K: Ich komm mir einfach so verarscht vor, so lächerlich.

S: Das kann ich schon verstehen. Aber das allein wäre noch keine Grund, sich auch hilflos zu fühlen. Man könnte da ja auch z.B. ärgerlich oder traurig oder sonstwie oder auch gleichgültig reagieren.

K: Es ist einfach so das Gefühl, er ist stärker als ich und macht mit mir was er will und ich könnte schreien und toben, es würde überhaupt nichts nützen, er würde nur lachen über mich.

S: Geht es Ihnen manchmal auch mit anderen Schülern so, Frau K?

K: Ja, schon. Vor allem am Anfang, als junge Lehrerin war das besonders arg. Jetzt ist es mit den Jahren schon etwas besser geworden, aber der Georg, der treibt mich da ganz massiv wieder hinein.

S: Wenn ich Sie so erlebe, dann habe ich den Eindruck, irgendwas passiert, daß Sie plötzlich nicht mehr die erwachsene, kompetente Pädagogin sind, sondern wie mit einem Ruck zu einem kleinen hilflosen Mädchen werden. So vielleicht etwa drei, vier Jahre würde ich sagen, wenn ich Sie da so über diese Gefühle reden höre.

K: Ja, da ist schon etwas dran. Irgendwie kommt mir vor, ich könnte mich wie ein kleines Kind auf den Boden werfen und mit den Beinen trommeln und mit dem Kopf auf den Boden schlagen, so wütend und hilflos bin ich da. Aber nützen würde es ja auch nichts.

S: Das muß eine sehr tiefe Art von verzweifelter Hilf­losigkeit sein, die Sie da erfaßt, daß es Sie da so zurückwirft in ihre Vergangenheit. - Kennen Sie solche Situationen und Gefühle aus Ihrem Leben als kleines Mädchen?

K: Ja, schon; da fällt mir mein großer Bruder ein. Der war fünf Jahre älter, und hat mit mir gemacht was er wollen hat. Immer wenn er einen Frust wegen irgendetwas gehabt hat, dann hat er das an mir ausgelassen, hat mich gehänselt und verspottet dafür, wie dumm und klein ich bin.

S: Und wie war das für Sie?

K: Ich hätte aus der Haut fahren können. Was hätte ich den tun sollen, ich war so klein und er war so groß und mächtig. Und niemand hat mir geholfen.

S: Ja. Genau das ist der Punkt. Niemand hilft dem kleinen Mädchen gegen dieses große Scheusal. Und darum ist es auch so hilflos. Das einzige, was bleibt sind stumme Tränen der Verzweiflung.

K: (nickt, Tränen in den Augen)

S: Und was hätte geholfen gegen den großen Bruder?

K: Wenn jemand gekommen wäre und gesagt hätte: verdammt noch mal, jetzt laß sie endlich in Ruhe! (Pause) Genau das ist es, was ich mir jetzt manchmal mit dem Georg wünsche - jetzt fällt mir auf, daß der ja auch Georg heißt, genau wie mein großer Bruder (lacht) - daß irgendwer hereinkommt, z.B. die Frau Direktor und zu ihm sagt: Jetzt hör endlich auf mit dem Scheiß.

S: Und was brauchen Sie, damit Sie das selber sagen können? Das finde ich nämlich eine durchaus brauchbare Intervention für so einen Flegel.

K: Was ich brauchen würde? Na ja, wahrscheinlich daß ich erwachsen bleiben könnte.

S: Genau. Und vielleicht gelingt Ihnen das, wenn Sie sich in solchen Momenten klar machen, daß er nicht Ihr großer Bruder, sondern eigentlich halb so alt wie Sie und Ihr Schüler ist.

K (nickt): Genau! Eigentlich ist es ja wirklich eine Frechheit, was der mit mir aufführt!

In der dritten, der Teamphase geht es wo es mehr und mehr um Konflikte innerhalb der Gruppe bzw. innerhalb des Teams geht.

Nach etwa 1 ½ Jahren der Supervision wuchsen Widerstand und Passivität in der Gruppe deutlich; zu Beginn der Sitzungen herrschte viel Schweigen in der Gruppe, niemand wollte ein Thema einbringen, die TeilnehmerInnen äußerten Verunsicherung.

 

S: Und wie geht es Ihnen, wenn wir diesen Ausdruck "Verunsicherung", den Sie da gebraucht haben, umbenennen in "Angst"?

Pause

St.: Na ja, das könnte man schon so nennen. Ich für meine Person hab sicher so ein Stück Angst, was wird denn jetzt passieren, wie wird denn das weitergehen? Wenn es denn jetzt wirklich um Konflikte in unserer Gruppe gehen soll, ich kann mir zwar noch nicht vorstellen, um welche, aber werden wir uns denn dann noch so gut verstehen können untereinander? Für mich war das ja immer ein sehr angenehmer sicherer Platz, wenn ich hierher kommen konnte.

S: Das klingt so wie: werden mich die anderen dann noch mögen? Werde ich dann noch zur Gruppe dazugehören?

Diese Angst wurde vom überwiegenden Teil der Gruppe geteilt.

S: Und diese Überzeugung stimmt ja nicht zu 100%: wir sind ja gerade dabei, einen Konflikt auszutragen. Es gibt einen Konflikt zwischen dem, was Sie gerne möchten, und dem, was ich gerne möchte oder dem, was ich für sinnvoll halte. Und ich habe den Eindruck, Sie halten diesen Konflikt sehr wohl aus.

St.: Aber es ist nicht unbedingt lustig.

S: Das ist schon richtig. Konfliktaustragung muß nicht immer lustig sein, auch wenn es dabei auch lustvolle Aspekte geben kann. Aber aushaltbar ist es.

Allmählich begann sich die Gruppe als ein Gebilde von Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, Auffassungen, Handlungsweisen und Gefühlen zu verstehen und auch das Bereichernde und Ergänzende an dieser Tatsache zu sehen. Dies resultierte schließlich in einem fächerübergreifenden Projekt, das die Mehrzahl der Gruppenteilnehmer für ihre Schule konzipierte.

Damit war der Prozeß der Supervisionsgruppe nahezu unmerklich auf eine höhere Ebene übergegangen: die Organisations- oder Institutionsphase - in diesem Fall die Einbeziehung und damit auch die Herausforderung der gesamten Institution oder Organisation: der Schule, an der sie alle unterrichteten.

 

In dieser letzten Phase, wenn das Team kooperations- und arbeitsfähig geworden ist, geht es darum, zu klären wo es von Seiten der Institution oder der Organisation hakt und was hier an Möglichkeiten besteht, strukturelle Veränderungen durchzuführen.

 

Schlußfolgerung

Anhand des diskutierten Materials ist deutlich geworden, daß es in der Unterscheidung von Coaching und Supervision andere Kriterien als die Arbeitsbereiche geben muß, in denen diese Methoden angewandt werden. Sowohl Coaching als auch Supervision haben ihren Platz sowohl im Wirtschafts- als auch im psychosozial-pädagogischen Bereich. Sie stellen zwei unterschiedliche Ansätze dar, die - unter Berücksichtigung ihrer vielen Gemeinsamkeiten und Überschneidungen - eigenständige Theorie- und Methodikansätze erfordern. Auch im Aus- und Fortbildungsprozeß ist dem Rechnung zu tragen.

 

Literatur:

 

  • Buchner,D.:Coaching für Manager.Moderne Industrie Landsberg; 1990
  • Cornell,W.F.:Dual Relationships in Transactional Analysis: Training, Supervision and Therapy In: Transactional Analysis Journal Vol. 24/1, S.21-29; 1994
  • English,F.:Transaktionsanalyse. Gefühle und Ersatzgefühle in Beziehungen; Isko Press, Hamburg; 1981
  • Fauser,P.: Konfliktmanagement-Supervision; In: Zeitschrift für Transaktionsanalyse in Theorie und Praxis, Jg.11/2, S.91-108; 1994
  • Köfler,H./Sejkora,K.:Grundlagen des Coaching;Seminarunterlagen, Institut für Tiefenpsychologie und Transaktionsanalyse Linz (unveröff.);1995
  • Köster,R.:Teamsupervision-was ist das?; In: Zeitschrift für Transaktionsanalyse in Theorie und Praxis, Jg.11/2, S.76-90; 1994
  • Looss,W.:Team-Coaching.; Gabler Wiesbaden; 1994
  • Schreyögg,A.: Supervision - ein integratives Modell.; Junfermann Paderborn; 1992
  • Sejkora,K.: Phasen beziehungsorientierter Teamsupervision.; Workshop auf der Fachtagung 'Paradigmenwechsel in der Supervision', Hannover (unveröff.); 1994
  • Stewart,I./V. Joines: Die Transaktionsanalyse.; Herder Freiburg; 1991
  • Stewart,I.: Transaktionsanalyse in der Beratung.; Junfermann Paderborn; 1991

 

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