2018: Volpone (Jonson)

„Immer geht's nur nur um: Sterben, Erben, Erben, Sterben, Geld, Geld, Geld.“ Von der Gier und der Angst vor dem Tod

„Der Sonne und dem Tod kann man nicht ins Gesicht blicken.“ (François de la Rochefoucauld)
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sich seiner Sterblichkeit bewusst ist. Die Furcht vor dem Tod ist „unser dunkler Schatten, der uns immer begleitet“ (Irving Yalom, amerikanischer Psychotherapeut). Wie sollen wir diese Angst ertragen? Wir versuchen, der begrenzten Zeit, die wir haben, Sinn und Inhalt zu geben – oder wir verleugnen den Tod, indem wir Sinn- und Inhaltslosigkeit zu Abgöttern machen. In Ben Jonsons „Volpone“ sehen wir verschiedene Varianten davon. Alle handelnden Personen sind selbstsüchtig, habgierig, betrügerisch und besessen von krankhaftem Verlangen nach Geld und Besitz. So wollen sie eine Art von Unsterblichkeit erreichen. „Ich überleb‘ sie alle“, ruft der greise Bankier Corbaccio immer wieder – wer so viel besitzt, kann doch gar nicht sterben! Der Tod und die hysterische Angst vor ihm ist allgegenwärtig und wird verschoben in die ebenso hysterische Furcht vor dem Verlust des Besitzes. Armut bedeutet Sterblichkeit, Reichtum scheint unsterblich zu machen. Volpone selbst spielt das eigene Sterben immer wieder vor, um den Triumph des Überlebens besonders auskosten zu können. Seine Erbschleicher sind bereit, den Sohn, die Frau, ihr Gewissen und ihr Berufsethos zu verraten und zu verkaufen, nur um endlich erben zu können. Über 400 Jahre alt ist Jonsons Stück, und es ist zeitlos wie die Werke seines Landsmanns und Zeitgenossen Shakespeare. Auf Schritt und Tritt begegnen wir Menschen von heute derselben Gier nach Geld, von Euromillionen und Onlinewetten über Bitcoins bis hin zu Brennpunkten der aktuellen Politik: Ausweitung der Lohnarbeit, als junge Menschen schon Eigentum schaffen, Abriegelung der Festung Europa, um unseren Reichtum nur ja nicht teilen zu müssen. Gemeinsam mit dem Fortschritt der Medizin und dem Gesundheits- und Fitnesswahn könnte uns das doch vielleicht wirklich ersparen, der unerträglichen Tatsache desTodes ins Gesicht blicken zu müssen…
Ein Mann kommt zum Rabbi:
"Rabbi, es ist entsetzlich. Kommst du zu einem Armen - er ist freundlich, er hilft, wenn er kann. Kommst du zu einem Reichen - er sieht dich nicht einmal! Was ist das nur mit dem Geld!"
Da sagt der Rabbi: "Tritt ans Fenster! Was siehst du?"
"Ich sehe eine Frau mit einem Kind an der Hand. Ich sehe einen Wagen, er fährt zum Markt."
"Gut Und jetzt tritt hier zum Spiegel. Was siehst du?"
"Nu, Rabbi, was werd' ich sehen? Nebbich mich selber."
Darauf der Rabbi: "Siehst du, so ist es. Das Fenster ist aus Glas gemacht, und der Spiegel ist auf Glas gemacht. Kaum legst du ein bisschen Silber hinter die Oberfläche - schon siehst du nur noch dich selber!" (Jüdischer Witz)

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