36. Ichzustände und Transaktionen

EINFÜHRUNG IN DIE TRANSAKTIONSANALYSE:
ICHZUSTÄNDE UND TRANSAKTIONEN

Auszug aus dem INTERACTUM – Spielehandbuch
(gemeinsam mit der Schirrmacher Group

1.1 Was sagen wir, nachdem wir ‚Hallo‘ gesagt haben? Eine kurze Einführung in unmittelbar spielrelevante Aspekte der Transaktionsanalyse

Der Name dieses Kapitels bezieht sich auf das letzte Buch von Eric Berne, dem Begründer der Transaktionsanalyse. Im englischen Original heißt es „What do you say after you say Hello?“  Damit ist genau beschrieben, um was es in den zahlreichen Landkarten der Transaktionsanalyse geht: warum sind Menschen so, wie sie sind – und wie gehen Sie miteinander um?

1.1.1 Was ist Transaktionsanalyse?
Die Transaktionsanalyse (TA) ist eine sozialpsychologische Theorie und Methode. Sie entstand in den 50er/60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, zuerst in den USA und wurde dann weltweit (mit starken Impulsen aus Deutschland und Österreich) bis heute weiterentwickelt. Begründet hat sie der kanadisch-amerikanische Sozialpsychiater Eric Berne. Sie bietet Erklärungsansätze dafür,
 warum Menschen sich so verhalten, so denken und so fühlen, wie sie es tun;
 wie sie miteinander kommunizieren und interagieren;
 wo und wie dabei Probleme entstehen können: in Einzelpersonen, in menschlichen Beziehungen und in sozialen Systemen;
 wie Menschen, Beziehungen und Systeme diese Probleme konstruktiv lösen und sich gesund weiter entwickeln können.
 In ihrer praktischen Anwendung ist sie
 ein Persönlichkeitskonzept, mit dessen Hilfe innere Prozesse und lebensgeschichtliche Entwicklungen verständlich gemacht werden können;
 ein Kommunikationskonzept, auf dessen Basis wir die Möglichkeit haben, die Art und Weise zwischenmenschlicher Interaktion zu beschreiben und zu erklären;
 ein Psychotherapiekonzept zur Behandlung psychischen Leidens;
 und ein Beratungskonzept zur Förderung individuellen und sozialen Wachstums.
Die Transaktionsanalyse ist zu komplex, als dass wir sämtliche Aspekte in einem ein- bis zweistündigen Spiel hätten abbilden können. Wir haben uns daher beim Spiel auf die Aspekte der Transaktionsanalyse konzentriert, die Sie in den folgenden Kapiteln zusammengefasst finden. Der Vollständigkeit halber haben wir in Kapitel 8.2 ergänzende Texte zur Transaktionsanalyse für Sie bereitgestellt, die Sie Ihren Teilnehmern bei Bedarf im Anschluss an das Spiel anhand einer Methode Ihrer Wahl vermitteln können.

1.1.2 Ich bin, du bist, wir sind. Über unsere Persönlichkeit: die Ichzustände

Obwohl wir uns durchgängig und konstant als „Ich“, als ein und dieselbe Persönlichkeit erleben, ist dieses Ich vielfältig und unterschiedlich. Wir erleben einen Tag, an dem wir voll Optimismus und guter Laune aufwachen – doch einige Stunden und einen oder zwei kleine Misserfolge später sind wir verärgert, pessimistisch und sehen die Welt grau in grau. Abends sind wir bei Freunden eingeladen und haben überhaupt keine Lust, hinzugehen, tun es aber schließlich doch. Und einige Stunden später sind wir lustig, fühlen uns wohl und wollen überhaupt nicht nach Hause gehen.

Unser Ich kann verschiedene Zustände annehmen, und in allen sind wir wir selbst. Das ist die Grundlage für eine der zentralen Landkarte der Transaktionsanalyse: die Ichzustände, das Persönlichkeitsmodell der TA. Eric Berne definiert einen Ichzustand als ein kohärentes (zusammenhängendes) System von Fühlen, Denken und Verhalten.
Dabei unterscheidet er drei solche Systeme:
 einen Zustand des Ichs, in dem wir fühlen, denken und handeln, wie es für die erwachsene Person stimmig ist, die wir auf dem Hintergrund unseres Lebensalters, unseres Geschlechts und unseren sozialen und kulturellen Hintergrund sind. Das ist der Erwachsenen-Ichzustand, abgekürzt ER.
 einen weiteren Ichzustand, in dem wir fühlen, denken und handeln, wie es eine elterliche Figur, oft auch einer unserer eigenen Eltern tun würde. Das ist der Eltern-Ichzustand, abgekürzt als EL.
 und schließlich einen dritten Ichzustand, in dem wir kindlich fühlen, denken und handeln, so als ob wir gerade drei Jahre, sieben oder auch zwölf Jahre (oder in einem anderen frühen Lebensalter) wären. Das wird Kind-Ichzustand (K) genannt.
Diese drei Ichzustände, die gemeinsam unser ganzes Ich bilden, werden grafisch als drei übereinanderliegende Kreise dargestellt:

Auf diese Basis-Landkarte der menschlichen Persönlichkeit können wir aus zwei verschiedenen Perspektiven blicken:
 von außen, also auf das, was wir bei anderen und andere bei uns sehen und erleben können. Das ist der Blickwinkel, den wir im Spiel einnehmen.
 von innen, also auf die Prozesse, die in uns vorgehen, wenn wir den einen oder anderen Ich-Zustand aktivieren.

1.1.3 Wie wir „sind“. Unser Bild nach außen: Ichzustände im Verhalten

In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem Funktionsmodell der Ichzustände. Diese Landkarte, die wir auch im Spiel verwenden, beschreibt, wie wir andere in ihren Ichzuständen wahrnehmen und wie sie uns wahrnehmen. Das bezeichnen wir oft fälschlicherweise als das, wie wir und andere Menschen „sind“. Tatsächlich ist es das, wie wir in Erscheinung treten und erleben und erlebt werden, aber unser ganzes Menschsein ist vielseitiger und hat eine Menge mit den inneren Prozessen zu tun, die sich in uns abspielen und die damit zu tun haben, wie wir die geworden sind, die wir sind. Das Funktionsmodell ist auch die erste der beiden Landkarten, die Sie im Spiel lernen und üben werden.
Ichzustände kann man in ihrem Auftreten nach außen, also im Verhalten der Person, an verschiedenen Merkmalen erkennen:
 an der Wortwahl
 am Tonfall
 an der Mimik (Gesichtsausdruck)
 an der Gestik (Hände)
 an der übrigen Körpersprache
Alle diese Anzeichen können einer elterlichen, einer kindlichen oder einer erwachsenen Haltung entsprechen.
Nehmen wir eine ganz gewöhnliche Alltagssituation als Beispiel. Wir haben dazu bewusst nicht die Personen des Spiels, die Familie Schubert, gewählt, um nicht Verwirrung zu stiften. Hier sehen wir Herrn Schmidt und Frau Müller in Aktion.

Herr Schmidt ist Kundenberater in einem großen Autohaus. Eine Kundin, Frau Müller, hat einem Termin bei ihm vereinbart, weil sie ein Auto kaufen will. Sie hat zwei Kinder und braucht das Fahrzeug hauptsächlich privat. Das hat sie Herrn Schmidt schon am Telefon geschildert. Er hat sich daraufhin zwei in Frage kommende Modelle überlegt: einen Kombi und einen Van. Die Kundin ist sich unschlüssig, ob das ihren Bedürfnissen entspricht. Sie sagt:
Müller: Also, da bin ich jetzt sehr unsicher. Die sind doch beide ziemlich groß, das kann ja mit dem Einparken schwierig werden.
Wir werden uns jetzt sechs Varianten von Herrn Schmidts Reaktion ansehen, die jeweils aus einem bestimmten Ichzustand gesendet werden.
Variante 1:
Herr Schmidt lächelt Frau Müller freundlich an, nickt und antwortet in offener Körperhaltung:
Schmidt: Ja, Frau Müller, das kann ich gut nachvollziehen. Parkhäuser und Garagen haben ja oft sehr enge Parkplätze. Beide dieser Autos gibt es auch mit automatischer Einparkfunktion.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Herr Schmidt sich mit Frau Müller als der erwachsene Mann in Beziehung setzt, der er ist. Wir können davon ausgehen, dass er seinen Erwachsenen-Ichzustand (ER) aktiviert hat.
Variante 2:
Herr Schmidt blickt Frau Müller etwas von oben herab an, sein Blick ist streng, er hat eine Falte über der Nasenwurzel.
Schmidt: Na ja, Frau Müller, da wäre es vielleicht ratsam, doch erst einmal ordentlich fahren zu lernen, bevor Sie ein Auto kaufen.
Jetzt verhält sich Herr Schmidt völlig anders. Er wirkt so, als ob er Frau Müller für ein ungeschicktes Kind halten würde und behandelt sie herablassend und kritisch. Seine Worte, seine Stimme, seine Mimik und wahrscheinlich auch die restliche Körperhaltung legen die Vermutung nahe, dass er seinen Eltern-Ichzustand aktiviert hat. In der Analyse des Verhaltens können wir dabei zwei Aspekte dieses Ichzustandes unterscheiden. In diesem Fall ist es der kritische Eltern-Ichzustand (kEL).
Den anderen Aspekt des Eltern-Zustandes erleben wir in der dritten Möglichkeit.
Variante 3:
Herr Schmidt blickt wieder freundlich drein, diesmal aber auch etwas von oben herab. Seine Stimme klingt milde und mitleidig.
Schmidt: Aber Frau Müller, das ist ja nicht so schwierig. Wissen Sie was, wir unternehmen Probefahrten mit den Autos und ich zeige Ihnen, wie Sie problemlos einparken können.
Auch hier behandelt Herr Schmidt Frau Müller wie ein Kind, diesmal wie eines, das mitleidvolle Unterstützung in seiner Hilflosigkeit zu brauchen scheint. Er aktiviert den fürsorglichen Eltern-Ichzustand (fEL).
In den Varianten 4 bis 6 lernen wir drei verschiedene Versionen des Verhaltens im Kind-Ichzustand kennen.
Variante 4:
Herrn Schmidts Körperhaltung deutet auf Ungeduld hin, er gestikuliert intensiv und spricht mit kräftiger und nachdrücklicher Stimme.
Schmidt: Ach, Frau Müller, einparken hin oder her, aber sagen Sie selbst: sind das nicht beides zwei wunderschöne Autos, so wie sie dastehen? Und was die für PS unter der Haube haben! Kommen Sie, wir fahren eine Runde!
Jetzt wirkt Herrn Schmidts Verhalten wie das eines lebhaften Kindes, das einfach spielen und Spaß haben will, das sich um Einwände am liebsten nicht kümmert. Den Anteil des Kind-Ichzustands, der hier aktiv wird, nennen wir in der Transaktionsanalyse den freien oder natürlichen Kind-Ichzustand (fK).

Variante 5:
Herr Schmidt zieht seine Schultern hoch, seine Stimme wird leise, er sieht Frau Müller flehentlich an.
Schmidt: Aber Frau Müller, Sie werden mich doch jetzt nicht wegen des Einparkens mit dem Autokauf hängen lassen! Einparken müssen Sie jedes Auto, egal, welche Marke!
Auch dieses Verhalten ist dem Kind-Ichzustand zuzuordnen, aber diesmal ist es ein vorsichtiges und furchtsames Kind, das da in Herrn Schmidt in Erscheinung tritt: der angepasste Kind-Ichzustand.
Variante 6:
Herr Schmidt ist etwas genervt, das hört man seiner Stimme an. Er verdreht die Augen nach oben.
Schmidt: Echt jetzt! Frau Müller! Sie sind doch versichert, wen kümmert da schon ein kleiner Parkschaden! Die Autos können beide voll alles, was Sie brauchen!
Auch hier erleben wir natürlich keinen erwachsenen Autoverkäufer – wir haben es mit einer dritten Art kindlichen Fühlens, Denkens und Verhaltens. Herr Schmidt wirkt trotzig, aufbegehrend und eigensinnig. Er hat seinen rebellischen Kind-Ichzustand aktiviert.

Diese sechs Arten von Ichzuständen, mit denen Menschen in ihrem Handeln sichtbar werden können, lassen sich grafisch wie folgt darstellen:

Einen wichtigen Punkt wollen wir zum Abschluss der Landkarte des Erkennens der Ichzustände im Verhalten nach außen erwähnen: die Diagnose der Ichzustände am Verhalten eines Menschen ist nichts Eindeutiges und zweifelsfrei Erkennbares. Sie stellt nicht dar, wie wir „sind“, sondern wie wir erlebt werden und wie wir andere erleben, und das ist etwas Subjektives.

Sie werden im Spielen merken, dass die Teilnehmer manchmal unterschiedlicher Auffassung darüber sind, welchen Ichzustand sie hier wahrnehmen. Das liegt daran, dass ihre Ausprägung von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein kann – und Menschen sind nicht eindeutig, sondern oft widersprüchlich. Wir können unsere Ichzustände rasch wechseln. Außerdem können sie ja die handelnden Personen weder hören noch sehen. Sie können die Teilnehmer auch dazu ermuntern, die Rollen zu spielen und sich in die handelnden Personen hinein zu versetzen. Das könnte ihnen an manchen Stellen weiterhelfen.

1.1.4 Wie wir in Beziehung gehen: die Transaktionen
In den sechs Beispielen über die Aktivierung der Ichzustände haben wir immer nur eine Seite des Gesprächs zwischen Herrn Schmidt und Frau Müller gesehen. Doch alle Varianten seiner Aktionen waren ja Reaktionen auf die erste Aussage der Kundin: „Also, da bin ich jetzt sehr unsicher. Die sind doch beide ziemlich groß, das kann ja mit dem Einparken schwierig werden.“ Und – das werden wir gleich im folgenden Abschnitt sehen – es folgen darauf natürlich wieder Reaktionen von Frau Müller. Auch sie hat wie jeder Mensch sechs Ichzustände, aus denen ihre Antworten kommen. Diesen Austausch zwischen zwei (oder auch mehr) Personen nennen wir Transaktionen. Hier sind wir wieder im Funktionsmodell der Ichzustände, das die Verhaltensweisen in der Kommunikation beschreibt, ohne dass wir tatsächlich wissen, was im Gegenüber vorgeht (und auch bei uns selbst wissen wir es oft nur bei entsprechender Selbstreflektion).

Eine Transaktion wird definiert als die kleinste Einheit eines zwischenmenschlichen Interaktionsprozesses. Sie besteht aus einer verbalen/nonverbalen Anrede und einer verbalen/nonverbalen Antwort. Da die Antwort wiederum als Anrede verstanden werden kann, besteht ein Gespräch aus vielen ineinander verketteten Transaktionen. Wenn ein Mensch einen anderen anspricht, befindet er sich in einem bestimmten Ichzustand und erwartet eine Reaktion wiederum aus einem bestimmten Ichzustand des anderen Menschen. Je nachdem, aus welchem Ichzustand die Antwort kommt, ergeben sich unterschiedliche Transaktionen. Diese können stimmig oder auch in hohem Maße unstimmig sein.
Bevor wir uns die drei verschiedenen Arten von Transaktionen ansehen, geben wir Ihnen hier noch einen kurzen Überblick darüber, woran man Ichzustände im Verhalten erkennen kann:


Die Pfeile symbolisieren immer einen Schritt in der Transaktion (Aktion oder Reaktion). Dabei gelten folgende Gesichtspunkte:
• Der Erwachsenen-Ichzustand richtet sich immer ausschließlich an den Erwachsenen-Ichzustand der anderen Person, nie an Kind- oder Eltern-Ichzustand.
• Kind- und Eltern-Ichzustand in ihren verschiedenen Aspekten (fEL, kEL, fK, aK, rK) richten sich immer an Kind- oder Eltern-Ichzustand der anderen Person, niemals an den Erwachsenen-Ichzustand.
Je nach Verlauf der Transaktionen können wir drei verschiedene Arten unterscheiden:
1. Parallele Transaktionen
2. Gekreuzte Transaktionen
3. Doppelbödige Transaktionen

1.1.5 Parallele Transaktionen

Von einer parallelen Transaktion sprechen wir dann, wenn die angesprochene Person aus dem Ichzustand antwortet, der adressiert wurde.

Sehen wir uns das wieder an Herrn Schmidt und Frau Müller an. In der ersten Variante hat er seinen Erwachsenen-Ichzustand aktiviert und ihr auf ihre Bedenken geantwortet:

Schmidt (lächelt freundlich, nickt, offene Körperhaltung): Ja, Frau Müller, das kann ich gut nachvollziehen. Parkhäuser und Garagen haben ja oft sehr enge Parkplätze. Beide Autos gibt es auch mit automatischer Einparkfunktion.
Und Frau Müller antwortet.
Müller (lächelt zurück): Ach, das ist ja interessant. Können Sie mir das näher erklären?

Er hat aus seinem Erwachsenen-Ichzustand den ihren angesprochen, und sie hat ebenso geantwortet. Im Diagramm sieht das so aus:

Die Pfeile der Transaktion verlaufen parallel.

Das gibt es natürlich auch zwischen anderen Ichzuständen:
Schmidt (milde, mitleidig, von oben herab): Aber Frau Müller, das ist ja nicht so schwierig. Wissen Sie was, wir unternehmen Probefahrten mit den Autos und ich zeige Ihnen, wie Sie problemlos einparken können.
Müller (schüchternes Lächeln, leise Stimme): Das würden Sie für mich tun? Da wäre ich Ihnen dankbar, wissen Sie, mein Mann ist da immer so ungeduldig mit mir.

Er hat aus seinem fürsorglichen Eltern-Ichzustand ihren angepasst-ängstlichen Kind-Ichzustand angesprochen, aus dem sie auch prompt reagiert. Auch hier sind die Pfeile parallel.

Zu jeder Art von Transaktionen gibt es auch eine Kommunikationsregel. Die erste lautet:

So lange die Pfeile der einzelnen Transaktionen parallel verlaufen, so lange kann die Interaktion unbegrenzt weitergehen.

1.1.6 Gekreuzte Transaktionen
Natürlich erfolgen die Antworten in Transaktionen nicht immer aus dem Ichzustand, der angesprochen wird. Dann verlaufen die Vektoren nicht parallel, sondern kreuzen sich.
Schmidt: Ja, Frau Müller, das kann ich gut nachvollziehen. Parkhäuser und Garagen haben ja oft sehr enge Parkplätze. Beide Autos gibt es auch mit automatischer Einparkfunktion.
Müller: Sagen Sie, was wollen Sie mir da aufschwatzen? Wie viel Geld soll ich denn da noch drauflegen?
Frau Müller hat jetzt nicht aus dem angesprochenen Erwachsenen-Ichzustand reagiert, sondern aus dem kritischen Eltern-Ichzustand.


Wie wird Herr Schmidt darauf reagieren? Als erstes wird er wahrscheinlich verblüfft, verwundert, möglicherweise auf ärgerlich oder erschrocken sein. In jedem Fall kommt die Kommunikation momentan zum Stillstand, sie kann nicht so weitergehen wie geplant. Frau Müller lädt ihn ein, den angesprochenen angepassten Kind-Ichzustand zu besetzen („Oh, entschuldigen Sie, das war selbstverständlich nicht meine Absicht“). Dann wären die beiden wieder bei einer parallelen Transaktion angelangt.
Er könnte aber auch selbst wieder eine Kreuzung vornehmen, indem er auf Frau Müllers Impuls wiederum aus einem anderen Ichzustand reagiert als aus dem, den sie angesprochen hat:
Schmidt: Was unterstellen Sie mir denn da? Wir sind ein seriöses Autohaus, wier schwatzen niemandem etwas auf!
Hier spricht er selbst aus seinem kritischen Eltern-Ichzustand den angepassten Kind-Ichzustand von Frau Müller an.
Die Kreuzung kann aber auch aus dem Kind-Ichzustand, aber aus einem anderen Teil erfolgen:
Schmidt: Hey, Frau Müller, das ist der Wahnsinn, wenn das Auto da ganz von selbst einparkt! Hab’s auch schon ausprobiert, da stehen einem die Augen und die Ohren offen!
Das ist eine ganz andere Variante: Herr Schmidt versucht, aus seinem freien Kind-Ichzustand den von Frau Müller zu erreichen und ihre Begeisterung zu wecken.

Aber natürlich kann er auch wieder zurückkreuzen und dabei bleiben, aus seinem Erwachsenen-Ichzustand den von Frau Müller anzusprechen:
Schmidt: Ich denke, das ist ein Missverständnis. Selbstverständlich treffen Sie die Kaufentscheidung. Ich schlage Ihnen verschiedene Möglichkeiten vor, damit Sie wählen können.

Wie auch immer das Gespräch weiterläuft, für gekreuzte Transaktionen gilt die zweite Kommunikationsregel:

Erfolgt eine Kreuzung der Transaktionsebenen, wird die Kommunikation momentan unterbrochen und kann erst wieder weitergehen, wenn mindestens einer der Aktionspartner den Ichzustand wechselt.

1.1.7 Doppelbödige Transaktionen

Wir kommen nun zu der komplexesten Form der Transaktionen: den doppelbödigen. Hier geht es darum, dass der „Ton die Musik“ macht. Wir kommunizieren ja nicht nur verbal, das heißt mit dem gesprochenen Wort, sozusagen das, was man auch lesen könnte. Wir kommunizieren auch nonverbal. Wir verwenden Formulierungen, die nicht eindeutig sind, wir setzen den Tonfall und die Lautstärke unserer Stimme ein, wir gestikulieren mit den Händen, wir nehmen einen bestimmten Gesichtsausdruck an, wir setzen unsere ganze Körpersprache ein. In den bisherigen Beispielen, mit denen wir parallele und gekreuzte Transaktionen beschrieben haben, waren die nonverbalen Signale in Übereinstimmung mit den verbalen. Die Botschaften waren klar. Wenn der Frau Schmidt aus ihrem ängstlichen Kind-Ichzustand gesagt hat „Das würden Sie für mich tun?“, dann lächelte sie schüchtern und ihre Stimme war leise. Wenn sie aus dem kritschen Eltern-Ichzustand meinte „Sagen Sie, was wollen Sie mir da aufschwatzen?“, dann runzelte sie die Stirn, ihre Augen blickten finster und ihre Stimme war drohend. Herrn Schmidts Aussage „Aber Frau Müller, das ist ja nicht so schwierig.“ Aus dem fürsorglichen Eltern-Ichzustand war von milder Stimme begleitet, und er blickte die Kundin mitleidig von oben herab an. Im Erwachsenen-Ichzustand („Beide Autos gibt es auch mit automatischer Einparkfunktion“) war sein Tonfall klar und sachlich, er sah Frau Müller direkt an, seine Hände waren einladend geöffnet.
Die dritte Art von Transaktionen beschreibt kommunikative Situationen, in denen verbale und nonverbale Botschaft nicht übereinstimmen, also Transaktionen, die sozusagen einen „doppelten Boden“ haben: unter der ausgesprochenen offenen Ebene verbirgt sich eine heimliche verdeckte. Hier sprechen wir von „doppelbödigen Transaktionen“.
Eine Anmerkung zu dieser Bezeichnung: in der TA-Literatur findet sich dafür auch oft der Begriff „verdeckte Transaktionen“. Diese Bezeichung könnte unserer Ansicht nach zu dem Missverständniss führen, dass es sich dabei um einen bewusst manipulativen Vorgang handelt. Der von Eric Berne verwendete Ausdruck heißt im Englischen „ulterior“, was so viel bedeutet wie „verborgen, dahinter versteckt“. Wir haben uns für die auch oft verwendete  Formulierung „doppelbödig“ entschieden, weil sie das, worum es geht, eindeutiger trifft.

Gehen wir wieder zu Frau Müller und Herrn Schmidt und setzen an dem Punkt an, wo sie ihre Unsicherheit über das Einparken geäußert hat („Die sind doch beide ziemlich groß, das kann ja mit dem Einparken schwierig werden“). Jetzt antwortet Herr Schmidt, während seine Stimme ein wenig ungeduldigt klingt, er einen leichten Seufzer ausstösst und sich zurücklehnt:

Schmidt: Na ja, das ist eine vertraute Situation für mich. Frauen haben ja oft Schwierigkeiten mit dem Einparken.

Auf den ersten Blick wirkt das vielleicht wie eine erwachsene Aussage. Beim näheren Hinsehen erkennen wir seine Ungeduld (Tonfall, Seufzer, Körperhaltung) und auch einige Details der Aussage: „Na ja“ ist kein wirklich erwachsener Ausdruck, ebenso das im zweiten Teil eingefügte „ja“. Auch Verallgemeinerungen (außer sie betreffen Naturgesetze) entstammen nicht dem Erwachsenen-Ichzustand. Die Aussage enthält eine sexisitische Abwertung. Alles in allem handelt sich um einen doppelbödigen transaktionellen Impuls, eine Aussage, die sich auf zwei Ebenen bewegt. Auf der offenen scheint Herr Schmidt aus seinem Erwachsenen-Ichzustand den von Frau Müller zu adressieren. Dahinter richtet er seine Mitteilung aber aus dem kritischen Eltern-Ichzustand an Frau Müllers ängstlichen Kind-Ichzustand. Frau Müller antwortet darauf leise, während sie die Augen niederschlägt:

Müller: Ähm… ist das tatsächlich so? Kommt das öfter vor?

Auch diese Reaktion könnte auf den ersten Blick wie zwei erwachsene Fragen klingen. Doch Tonfall und Gesichtsausdruck sprechen ebenso wie das zögerliche „Ähm“ eine andere Sprache. Auch hier gibt es eine Ebene dahinter, einen doppelten Boden. Dort kommt ihre Antwort aus dem ängstlichen Kind-Ichzustand und richtet sich an Herrn Schmidts kritischen Eltern-Ichzustand, der besänftigt werden soll.
Im Diagramm sieht das so aus:

Die Transaktion – Impuls und Reaktion - bewegt sich auf zwei Ebenen: eine offene oder „soziale“ Ebene (symbolisiert durch den durchgezogenen Pfeil) und eine verborgene dahinter, die „psychologische“ Ebene (der strichlierte Pfeil).
Warum hat Frau Schmidt so geantwortet und ist nicht auf der offenen Ebene tatsächlich im Erwachsenen-Ichzustand geblieben ( z.B. „Aha, Sie haben also diese Erfahrung schon öfter gemacht“)? Sie ist fast automatisch der verborgenen Einladung gefolgt, weil der nonverbale Teil einer Botschaft, der psychologische Inhalt auf uns Menschen viel intensiver wirkt als der soziale. Unsere Intuition folgt der Körpersprache, der Mimik, dem Tonfall und den subtilen Feinheiten der Sprache. Das lernen wir schon als kleine Kinder, noch bevor wir der Sprache mächtig sind.

Wenn die Kommunikation so weitergeht, werden die beiden sich sehr wahrscheinlich bald in einem offenen Austausch zwischen Etern- und Kind-Ichzustand finden. Das könnte dann so aussehen:

Schmidt: Also, Frau Müller, langer Rede kurzer Sinn: was für ein Auto wollen Sie denn nun? Ein größeres oder ein kleineres, damit Sie leichter einparken können?
Müller: Ach, ich weiß es ja auch nicht…ich bin jetzt ganz ratlos. Was empfehlen denn Sie mir?

Damit sind sie bei einer parallelen Transaktion zwischen kEl und aK angelangt. Die ursprünglich verdeckte psychologische Ebene ist zur offenen sozialen geworden.
Das besagt auch die dritte Kommunikationsregel zu den doppelbödigen Transaktionen:

Finden die Transaktionen auf einer offenen (sozialen) und einer verdeckten (psychologischen) Ebene statt, kommt in der Regel die psychologische Ebene zum Tragen.

Natürlich kann das auch in anderen Versionen stattfinden. Auf Frau Müllers anfängliche Unsicherheit könnte ihr Gegenüber auch antworten, während er seine Schultern anzieht, die Hände ineinander flicht und seine Stimme leiser werden lässt:

Schmidt: Oje, das Einparken könnte schwierig für Sie werden… vielleicht sollten wir uns doch an einem kleineren Modell orientieren.
Müller: Herr Schmidt, machen Sie sich keine Sorgen um mich, ich werde das Einparken schon lernen

Soziale Ebene: ER an ER/ ER an ER
Psychologische Ebene: aK an fEL/ fEL an aK

Oder noch eine Variante:

Schmidt: Ach, reden wir doch nicht immer über’s Einparken. Setzen wir uns doch einfach in eins der beiden Autos hinein und Sie werden sehen, was das für ein Gefühl ist.
Müller: Ja, das machen wir!

Soziale Ebene: ER an ER/ ER an ER
Psychologische Ebene: fK an fK/ fK an fK

Die geschilderten Situationen sind die deutlich häufigsten unter den doppelbödigen Transaktionen: scheinbar ist der Erwachsenen-Ichzustand aktiv, darunter versteckt sich der Kind- oder Eltern-Ichzustand, der beim Gegenüber auch K oder EL anspricht. Andere Varianten sind denkbar, aber selten (z.B. offen: kEL an kEL, verdeckt: fK an fK). Mit diesen seltenen Varianten beschäftigen wir uns im Spiel jedoch nicht, hier geht es in allen Beispielen darum, dass nur auf den ersten Blick die Erwachsenen-Ichzustände miteinander zu kommunizieren scheinen.

Tipp (auch an die Teilnehmer): ein gutes Erkennungsmerkmal für einen doppelbödigen Transaktionsimpuls ist die Frage: wie wäre Ihr spontaner Impuls darauf zu reagieren – aus dem ER  - oder aus dem K oder dem EL?

1.2 Was wir nicht im Spiel abgebildet haben -  eine vertiefende Einführung in die Transaktionsanalyse
Der Vollständigkeit halber haben wir in diesem Kapitel ergänzende Texte zur Transaktionsanalyse für Sie bereitgestellt, die diese für die Durchführung des Spiels nicht zwingend kennen müssen. Bei Bedarf können Sie diese Ihren Teilnehmern im Anschluss an das Spiel anhand einer Methode Ihrer Wahl vermitteln.

1.2.1 Grundlegende Haltung und Menschenbild der Transaktionsanalyse

• Jeder Mensch hat die Fähigkeit, zu denken und Probleme zu lösen
• Jeder Mensch ist grundsätzlich so, wie er oder sie ist, in Ordnung (OK)
• Jeder Mensch ist in der Lage, Verantwortung für sein Leben, für sein Fühlen, Denken und Handeln zu übernehmen
• Jeder Mensch ist fähig zur Autonomie, d.h. zur Selbstbestimmtheit.

1.2.2 Autonomie: Bin ich der Mensch, der ich sein kann?
Autonomie, Eigenständigkeit, ist ein zentraler Wert im Menschenbild der Transaktionsanalyse. Damit ist gemeint: ich kann voll und ganz der Mensch sein, der ich bin und der ich sein kann. Autonomie setzt sich zusammen aus
• Bewusstheit: ich bin mir meines Fühlens, Denkens und Handelns bewusst und kann andere Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit und ihrer Ähnlichkeit zu mir wahrnehmen. Ich bin mir bewusst, welchen Ichzustand ich wähle und aktiviere und welchen Ichzustand ich bei meinem gegenüber anspreche.
• Spontaneität: ich kann wählen, wie ich meine Gefühle ausdrücke und zeige, was ich denke und wie ich handle. Ich habe in den Aktionen und Reaktionen meiner Transaktionen verschiedene Optionen, die ich je nach Verlauf der Kommunikation flexibel einsetzen kann.
• Intimität: ich kann echte Nähe zu anderen Menschen herstellen, indem ich mich verstehend in sie hineinversetze und meine Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche offen mitteilen kann. Ich kann meine Transaktionen so gestalten, dass Nähe zu meinem Gegenüber entstehen kann.

1.2.3 Grundhaltungen: Wie sehe ich mich und wie sehe ich die anderen?

Ausgehend vom Wert der Autonomie (‚ich kann voll und ganz der Mensch sein, der ich bin und der ich sein kann’) definiert die Transaktionsanalyse ihr zweites zentralen Basiselement: Menschen sind grundsätzlich so, wie sie sind und in ihrem Menschsein in Ordnung. Die grundlegende Werthaltung der TA findet sich in dem Satz ‚People are born OK.’ Damit ist gemeint, dass Mensch zu sein ein grundsätzlicher Wert ist, der Respekt verdient.
Das bedeutet nicht, dass auch jedes Verhalten in Ordnung wäre. Es geht hier um die grundsätzliche Position sich selbst und anderen gegenüber. In der TA wird dieser Wert OK-Sein genannt. Menschen können sich selbst gegenüber zwei mögliche Positionen einnehmen:
• Ich bin OK, so wie ich bin oder
• Ich bin nicht OK, so wie ich bin
Das gleiche gilt für andere Personen:
• Du bist OK, so wie du bist oder
• Du bist nicht OK, so wie du bist
Daraus ergeben sich insgesamt vier zwischenmenschliche Positionen, die die grundlegende Haltung von Menschen zu Beziehungen definieren. Die TA spricht von vier Grundhaltungen:
• Ich bin OK – du bist OK: Ich bin OK, so wie ich bin, als Mensch mit meinen Möglichkeiten und Grenzen – und du bist es auch (ich +/ du +): kooperative Grundhaltung
• Ich bin nicht OK – du bist OK: Ich bin so, wie ich bin, nicht OK, besser, ich wäre ein anderer Mensch – du bist es aber schon (du bist besser als ich) (ich -/ du +): demütige Grundhaltung
• Ich bin OK – du bist nicht OK: Ich bin OK, wie ich bin (ich bin besser als du) – du bist es aber nicht; besser, du wärst ein anderer Mensch (ich+/ du -): arrogante Grundhaltung
• Ich bin nicht OK – du bist nicht OK: Ich bin nicht OK, so, wie ich bin, und du bist es genauso wenig (ich-/ du -): aussichtslose Grundhaltung
Diese auch existenzielle Positionen genannten Haltungen werden in der Kindheit verinnerlicht und finden im erwachsenen Leben Niederschlag in der sozialen Interaktion.
Echte Wertschätzung und damit konstruktive Beziehung ist nur von der Haltung ‚Ich bin OK – du bist OK’ aus möglich.
Ein einfaches und übersichtliches grafisches Modell zu den vier verschiedenen Grundhaltungen aus der Transaktionsanalyse ist der OK-Corral von Franklin Ernst.


                       
Grundhaltungen, Ichzustände und Transaktionen
Die Wahl des Ichzustandes und die davon ausgehenden transaktionellen Impulse und Reaktionen hängen eng mit den eingenommenen Grundhaltungen zusammen. Nur in parallelen Transaktionen zwischen zwei Erwachsenen-Ichzuständen können wir davon ausgehen, dass beide handelnde Personen die Haltung „Ich bin OK – du bist OK“ einnehmen.
Bei gekreuzten Transaktionen kommt entweder der Impuls oder die Reaktion aus einer Nicht-OK-Haltung (entweder ich, der Andere oder beide werden als nicht OK erlebt). Bei doppelbödigen Transaktionen scheint die offene, die soziale Ebene OK-Grundhaltungen ausdzudrücken – die psychologische Ebene (die letztlich zum Tragen kommt) wird von Nicht-OK-Haltungen (ich, der Andere oder beide sind nicht OK) bestimmt.

1.2.4 Wie wir geworden sind. Unser inneres Erleben

Neben dem Blickwinkel von außen auf die Ichzustände im eben beschriebenen Funktionsmodell beschäftigt sich die Transaktionsanalyse auch mit dem Blickwinkel der innerpsychischen Vorgänge. In diesem Strukturmodell wird erklärt, warum Menschen sich zu den Persönlichkeiten entwickelt haben, die sie sind und was sie innerlich dazu motiviert, bestimmte Ichzustände in ihrem Verhalten zu aktivieren. Dieser Aspekt wird im Spiel nicht behandelt. Er kann Ihnen helfen, ein tieferes Verständnis für seelische Vorgänge zu entwickeln.
Wie kommt es, dass wir als erwachsene Personen nicht immer das ER, den Erwachsenen-Ichzustand, aktivieren? Das hat damit zu tun, dass unsere frühen Lebenserfahrungen, das, was wir in Beziehungen zu wichtigen Menschen, erleben, einen nachhaltigen und bleibenden Einfluss auf unsere Persönlichkeit haben.
Die Entwicklung der Struktur unserer Persönlichkeit bedeutet die Herausbildung unserer Ichzustände. Dargestellt werden sie wie auch im Funktionsmodell als die bekannten übereinanderliegenden Kreise.


Doch im Strukturmodell gibt es keine Unterteilungen in den einzelnen Zuständen nach den Handlungsweisen. Hier finden wir auch die entsprechenden internen Proezsse, wie wir fühlen und wie wir denken. Ein Ichzustand ist – wie bereits erwähnt – definiert als ein zusammenhängendes System aus Denken, Fühlen und Verhalten.
Der Erwachsenen-Ichzustand ist ein solches System, in dem wir denken, fühlen und handeln, wie es den erwachsenen Menschen, die wir auf dem Hintergrund unseres Geschlechts, unserer Bildung und unseres geografischen, sozialen und kulturellen Bezugsrahmens sind.
Im Kind-Ichzustand haben wir unser lebensgeschichtlich frühes Fühlen, Denken und Verhalten einschließlich all dessen, was wir als Kinder an Gutem und Schlechtem erlebt haben, gespeichert. Das kann ein wertvoller Schatz mit großen Potenzialen sein, aber auch Einschränkendes und Destruktives enthalten.

Der Eltern-Ichzustand schließlich enthält Fühlen, Denken und Verhalten, das wir bei unseren Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen (Großeltern, ältere Geschwister, Lehrer usw.) erlebt haben. Auch das kann konstruktiv und destruktiv sein.
Wenn wir so handeln und kommunizieren (oder nicht handeln und nicht kommunizieren), wie wir nach außen wahrgenommen werden, dann geschieht das immer aufgrund innerer meist unbewusster Prozesse. Die drei Ichzustände treten in eine Art innerer Dialog und „entscheiden“, was wir davon nach außen tragen.
Sehen wir uns das wieder an einem Beispiel der Kommunikation zwischen Herrn Schmidt und Frau Müller an.
Frau Müller besucht das Autohaus. Dem vorangegangen ist ein vermutlich längerer innerer Prozess der Entscheidungsfindung: wie viel darf das Auto kosten, was soll es können, welche Marke soll es sein. Sie hat Erkundigungen eingeholt und sich das Autohaus von Herrn Schmidt und vielleicht auch ihn persönlich empfehlen lassen. Schließlich hat sie einen Termin vereinbart.
Auf dem Weg dorthin können wir uns folgenden inneren Dialog vorstellen:
ER: Jetzt bin ich gespannt, ob dieser Herr Schmidt tatsächlich so kompetent ist, wie der Mann meiner Freundin Susanne gesagt hat.
K: Ja, das hat er gesagt. Aber Susannes Mann ist ein Mann, und das ist der Schmidt auch. Ich befürchte, der wird mich als Frau in meinen Bedürfnissen nicht verstehen (sie fühlt sich wie als Schulmädchen, das von ihren älteren Brüdern oft gehänselt und übergangen wurde).
EL: Du wirst sehr gut aufpassen müssen, dass du nicht übers Ohr gehauen wirst. Du weißt doch, wie die Männer sind (sie hört innerlich die Stimme ihrer Mutter, die oft vermittelt hat: als Frau bist du in dieser Welt immer im Nachteil).
ER: Schauen wir uns die Sache doch einfach an, wir werden ja sehen.
EL: Aber pass bitte gut auf! Du weißt doch, dass du keine gute Autofahrerin bist! Und mit dem Rechnen hast du es auch nicht so besonders (jetzt ist sie in Kontakt mit einigen Botschaften ihres Vaters und auch ihres ältesten Bruders, mit dem sie seinerzeit Übungsfahrten als Führerscheinneuling unternommen hat)!
K: Oh Gott, was soll das werden! Ich tue mir schon mit dem Auto meines Mannes beim Einparken schwer, und erst mit einem Auto, das ich nicht kenne! Was ist, wenn Schmidt eine Probefahrt mit mir machen will? Wenn ich mich da blamiere?
EL: Das wirst du ganz sicher. Du kannst eben nicht Auto fahren.
K: Und wenn ich einfach umdrehe und wieder heimfahre?
EL: Unsinn, jetzt mach nicht so einen Blödsinn. Du ziehst das jetzt durch.

Wir sehen, dass in diesem inneren Dialog der Erwachsenen-Ichzustand deutlich in den Hintergrund gedrängt und sie sich selbst immer unsicherer und ängstlicher macht. Mit klopfendem Herzen betritt sie das Autohaus und fragt nach Herrn Schmidt. Seine Freundlichkeit hilft ihr, sich etwas zu beruhigen und sie lässt sich die zwei von ihm vorgeschlagenen Fahrzeuge zeigen. Und da geht der innere Dialog wieder los:
EL: Wie willst du denn so ein großes Ding steuern?
K: Oh Gott, und eine Automatik ist auch noch drin, mit so etwas bin ich ja noch nie gefahren! Nichts wie weg hier!
EL: Natürlich, damit du dich blamierst auch noch!

Und schließlich resultiert die Summe all der Gespräche in ihrem Kopf in der Aussage:
Also, da bin ich jetzt sehr unsicher. Die sind doch beide ziemlich groß, das kann ja mit dem Einparken schwierig werden.
Wir könnten diese inneren Dialoge auch an Herrn Schmidt bei all seinen möglichen sechs Antworten durchspielen. All das, was sich innerlich in der Struktur der Ichzustände ereignet, gibt Antwort auf die Frage: Warum verhält ein Mensch sich so, wie er sich gerade verhält und wie wir es von außen zu sehen bekommen? Diese Erklärungen können wir natürlich nur vermuten. Das, was wir vermuten und wie wir auf das kommunikative Angebot einer Person reagieren, hat wiederum mit unseren eigenen Ichzuständen und unserem eigenen inneren Dialog zu tun. Tatsächlich Auskunft über sein Innenleben kann nur der betreffende Mensch selbst geben.

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