2. THERAPIEVERLAUF, THERAPIEPLANUNG UND THERAPEUTISCHE BEZIEHUNG

Workshop am Symposium '10 Jahre INITA'
Hannover, Juni 1991

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Jedem Psychotherapeuten ist diese Situation vertraut: ein Klient kommt zur Therapie. Sein Anliegen ist mehr oder weniger klar formuliert, und er scheint auch mehr oder weniger deutlich den Wunsch nach Veränderung zu spüren: seine Beziehung soll besser werden, er soll nicht mehr so einsam sein, keine körperlichen Beschwerden mehr haben, beruflichen Erfolg, keine Ängste, keine Süchte oder ähnliches mehr haben. Seine Ziele liegen - mehr oder weniger deutlich - auf der Verhaltensebene. die Arbeit mit ihm läßt sich einigermaßen gut an, einige seiner wichtigen Lebens- und Beziehungsmuster sind gut zu analysieren. Er beginnt, sich an einigen Punkten zu enttrüben, manches zu verstehen, zu einem gewissen Teil auch, Kontakt zu seinen Gefühlen zu bekommen. Oft ändert er auch einige Dinge in seinem Verhalten, schließt soziale Verträge - mit einem Wort, seine Arbeit und die des Therapeuten scheinen erfolgreich zu sein.

Dann - mehr oder weniger plötzlich - gerät Sand ins Getriebe und der Prozeß ins Stocken. Dafür gibt es vielfältige Formen: die Stunden werden langwierig, der Klient schweigt oft, ist nicht bereit, auf Vorschläge des Therapeuten einzugehen, lenkt ab, wechselt das Thema, versäumt Stunden, wird ärgerlich, überangepaßt, will die Therapie beenden (und tut es auch manchmal) usw. Mit einem Wort: auf die scheinbar so erfolgreiche erste Phase der Therapie folgt Widerstand. Er scheint eigentlich keine Änderung mehr zu wollen - höchstens ein bißchen besser mit dem ganzen Schlamassel zurechtzukommen, und der Therapeut soll ihm, so gut es geht, dabei helfen.

Berne (1983) bringt das in 'Was sagen Sie, nachdem Sie guten Tag gesagt haben?' sehr anschaulich auf den Punkt:
Er sagt, der Klient möchte nur im Rahmen seines Skripts bequemer leben - er wolle lernen wie lebt man komfortabler, während man mit dem Kopf ständig gegen eine steinerne Mauer rennt?" oder wie lebt man komfortabler, während man sich an den beiden Seitenwänden eines Tunnels festklammert?" (S. 397)

Es gibt also zweifellos mehrere Schichten im therapeutischen Prozeß. An dem Punkt, an dem wir hier in meiner Beschreibung angelangt sind, scheinen es zwei zu sein:
eine erste, wo der Klient Veränderung, im wesentlichen Verhaltensänderung, will - und eine zweite, wo er allem Anschein nach absolut keine Änderung mehr zu wollen scheint, mehr noch, wo er die Hilfe des Therapeuten dabei haben möchte, alles so zu belassen, wie es ist.

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1. Schicht:     ICH WILL'S ANDERS HABEN
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2. Schicht :     ICH WILL GAR NICHTS WIRKLICH ANDERS HABEN - HILF MIR,                     ALLES SO ZU LASSEN, WIE ES IST

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Warum ist das so? Läßt es sich vermeiden? Wenn ja, wie? Wenn nicht, welche Strategien sind angebracht, um diese 2. Schicht zu überwinden? Und was kommt dann? Können wir dann  in der ersten Schicht, bei der vom Klienten gewünschten Veränderung, arbeiten? Oder gibt es unter der zweiten noch eine dritte Schicht?

Ich habe die verschiedenen Modelle durchforstet, die in der TA als Konzepte für Verlauf und Planung von Therapie entwickelt worden sind.

Solche Modelle stammen von Erskine (1973), Holloway (1977), M. James (1977) Woollams/Brown (1978) und Loomis/

Landsman (1981, dt. 1985). Kurz zusammengefaßt teilen sie alle die Therapie in etwa die gleichen Stadien mit mehr oder weniger vielen Unterphasen:

In einem ersten Schritt geht es darum, eine Vertrau­ens­beziehung herzustellen; es folgt dann die Vorbereitung auf die zentrale Phase der Therapie, das Stadium von Ne­u­ent­scheidung oder Durcharbeiten. Anschließend geht es um ein Verarbeiten und Integrieren der getroffenen Entscheidungen und um den Abschluß der Therapie mit der Ablösung vom The­rapeuten.

Technisch gesehen stimmt diese Abfolge natürlich. Inhalt­lich gesehen findet sich wenig Antwort auf die vorher von mir gestellten Fragen - allenfalls wieder technische Hin­weise, wie Überwinden des Widerstands durch Verträge, durch Enttrübung usw.

Bereits 1961, in 'TA in Psychotherapy' beschreibt Berne eine Unterteilung des therapeutischen Prozesses in ver­schiedene Phasen:

Als erstes sieht Berne die Eingangsphase, in der der Klient lernt, die Grundbegriffe der Strukturanalyse zu verstehen. Sie dient der Herstellung der Beziehung zwi­schen dem Therapeuten - genau gesagt dem Erwach­sene des Therapeuten und dem Erwachsenen-Ich (bzw. dessen un­getrübten Teilen) und dem Kindheits-Ich (bzw. dessen nicht verwirrten Teilen) des Klienten. Was dabei passiert,  nennt Berne: der Therapeut soll anstelle des ursprüng­li­chen Eltern-Ichs installiert werden. In diesem Abschnitt erreicht der Klient 'Symptomkontrolle', das heißt, Kon­trol­le des Er über das verwirrte K und das innerlich be­einflussende oder nach außen aktive El.

In der zweiten Phase - Berne nennt sie "Symptomheilung" - wird das Erwachsenen-Ich enttrübt, wodurch es symptomfrei werden kann. An diesem Punkt ist es nach Berne möglich, die Behandlung zu beenden - wenn nur Symptomheilung ge­wünscht wird. Wenn tiefe intrapsychische Änderung ge­wünscht wird, sind noch zwei weitere Phasen notwendig:

Phase 3: Übertragungsheilung.

Hier ersetzt der Therapeut die ursprünglichen Eltern, wo­durch tiefsitzende Lösung des Skripts begonnen werden kann.

All diese Phasen, sie schließen alle Bestandteile der Transaktions-Analyse (Strukturanalyse, Analyse der Trans­aktionen, Spiel und Skriptanalyse) ein, dienen der Vorbe­reitung des letzten Punktes, den Berne "psycho­analyt Heilung" nennt. Erst hier wird die Entwirrung des Kindes vorgenommen. Erst dadurch werden die Fixie­rungen im Kind­heits-Ich aufgelöst und ein voll funkti­onsfähiges, inte­griertes Erwachsenen-Ich etabliert (Begriffe, auf die ich später noch eingehen werde). An dieser Stelle sagt Berne einen zentralen Satz:

"Das Entfalten des Skripts ist die Substanz des psycho­analytischen Prozesses. Die Übertragung besteht nicht hauptsächlich aus einem System zusammenhängender Reak­tionen, einer Übertragungs-Neurose, sondern aus einem dynamisch fortschreitenden Übertragungs-Drama, das übli­cherweise all die Elemente und Unterabteilungen einer griechischen Tragödie enthält "(1961, Seite 174)".

Und damit nähern wir uns dem zentralen Punkt der Ge­schichte: Daß der Klient sein Skript in der Therapie auslebt ist nicht ein lästiger Nebeneffekt, der 'kon­frontiert' und 'vertraglich gelöst' werden muß oder auch nur kann - sondern die Substanz des Prozesses. Erst so wird das Skript wirklich greifbar und zugänglich.

Lassen Sie uns schauen, mit welchem Ich-Zustandkonzept Berne zu dieser Zeit arbeitet. Das unterscheidet sich nämlich wesentlich von dem, was heute in TA gang und gäbe ist und macht Bernes analytischen Hintergrund deutlich.

Ich habe dieses 'Ursprungsmodell' an früherer Stelle  (1989) näher erläutert; sehr detailliert und erweitert findet es sich bei Erskine (1988, 1991).

Berne definiert 3 Zustandsformen des Ichs: Archäopsyche und Neopsyche (diese Begriffe stammen von seinem Lehr­analytiker Federn) und - als eigenständiger Beitrag - Exteropsyche. Also alte, gegenwärtige und von außen stammende Inhalte, die jedes für sich genommen komplette Zustände des Eines als Einheit von Denken, Verhalten und Fühlen darstellen.

Archäopsyche - oder operational formuliert 'Kindheits-Ich' - sind Zustände des Ichs aus früheren Zeiten des Lebens, die als Ganzes in die Gegenwart übernommen und wiederbe­lebt werden. Ursache dafür ist, daß diese Zustandsformen zu einem früheren Zeitpunkt der Lebensgeschichte fixiert wurden und sich nicht weiterentwickelt haben. Passiert sind diese Fixierungen

" wenn entscheidende kindliche Bedürfnisse nach Kontakt nicht befriedigt wurden und das Kind Abwehrmechanismen gegen das Unbehagen über die unbefriedigten Bedürfnisse anwandte, die sich verfestigten und gewohnheitsmäßig wurden." (Erskine 90, Seite 10)

Also: das Bedürfnis des Kindes nach Kontakt wird nicht befriedigt, das Einsetzen seiner Gefühle (Schmerz, Angst, Wut), um doch Kontakt zu bekommen, ist wirkungslos oder kontraproduktiv. Diese unangenehme Erfahrung und die unangenehmen Gefühle werden abgewehrt, also vom Ich ferngehalten. Dadurch bleiben ungelöste Fixierungen er­halten, die bewirken, daß Menschen als Erwachsene in be­stimmten Situationen sowohl die Außenwelt als auch sich innerlich erleben wie zu einem früheren Zeitpunkt ihrer Lebensgeschichte. Das ist, was ursprünglich Kindheits-Ich bedeutet.

Ebenfalls in einem Abwehrprozeß werden elterliche Figuren dem Ich einverleibt: der Konflikt, der durch die Kontakt­un­terbrechung entsteht, soll so (indem er nach innen ver­la­gert wird) leichter handhabbar werden. Es entstehen ei­gene, von außen übernommene Ichzustände - die Elternfi­gu­ren als Ganzes, so wie sie vom Kind zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung erlebt wurden.

Kontrastiert werden diese beiden Ich-Zustände (oder besser Systeme von Ich-Zuständen) durch die Neopsyche, das Er­wach­senen-Ich: es ist das System von Denken, Fühle Handeln, das dem Hier und Jetzt entspricht. Es nimmt wahr und reagiert auf das, was laufend äußerlich und innerlich vorgeht, es integriert lebensgeschichtliche Erfahrungen und ihre Folgen und integriert ebenso äußere lebensge­schichtliche Einflüsse.

Warum habe ich das so ausführlich referiert? Ich denke, dadurch wird deutlich, was einerseits 'Skript' heißt - und andererseits Heilung. 'Skript' ist das fortlaufende Wie­der­holen der abgewehrten Erfahrungen mittels der fixi Kindheits-Ichzustände unter dem Einfluß des Eltern-Ichs. Genauer gesagt: die abgewehrten, fixierten, ungelösten Er­fahrungen drängen nach einer Lösung, werden also immer und immer wieder inszeniert - in der Hoffnung, es möge endlich gut werden. Gleichzeitig entsteht dadurch aber die Gefahr, daß die schmerzhaften Erinnerungen wiederbelebt werden könnten. Und hier treten innerlich die alten elterlichen Botschaften auf den Plan und bewirken das Wiederausleben der Abwehr. Also an einem kurzen Beispiel: ein Kind wird oft zurückgestoßen; darauf reagiert es mit Trotz und Rück­zug. Das hilft ihm, Schmerz, Angst und Wut nicht fühlen zu müssen, denn für diese Gefühle gibt es ja nur weitere Zu­rückweisung. Was bleibt, ist aber die Sehnsucht nach Kon­takt und Nähe - aber jedesmal, wenn dieser Mensch in sei­nem späteren Leben das herzustellen versucht, erlebt er innerlich wieder die ERinnerung an die frühen Situationen und spürt tief innen die elterlichen zurückweisenden Bot­schaften. Er besetzt daraufhin sein Kindheits-Ich - erlebt sich außerhalb seines Bewußtsein wieder so wie damals und handelt auch wieder so, mit Trotz und Rückzug. Und so wiederholt sich das, was eigentlich vermieden werden soll­te, gerade durch die Abwehr wieder. Skript entsteht also aus Abwehr und soll helfen, die Abwehr aufrechtzuerhalten - bei gleich­zeitiger Sehnsucht, daß endlich alles gut wer­den soll. Heilung hingegen bedeutet: Auflösung der Fixie­rungen, damit die alten Erfahrungen bewältigt werden kön­nen. Dazu ist  ein Überwinden des Eltern-Ich-Einflusses notwendig. So kann schließlich die Neopsyche, das 'in­tegrierte' (besser 'integrierende') Erwachsenen-Ich als 'exekutive Macht' installiert werden und die hauptsäch­liche Kraft im Leben des betreffenden Menschen sein. Das wiederum ist ein tiefer intrapsychischer Prozeß, verbunden mit dem Auftauchen und Verarbeiten vieler, oft ungeahnt schlimmer früher Erfahrungen.

Wir sehen also, daß 'Widerstand' nichts anderes bedeutet, als daß der Klient sein Skript in der Therapie auszuleben beginnt - seine Abwehr mobilisiert. Freud sieht Widerstand nicht als etwas, das in einer vorübergehenden Phase überwunden werden kann, sondern sagt:

"Wenn wir es unternehmen, einen Kranken herzustellen, von seinen Leidenssymptomen zu befreien, so setzt er uns einen heftigen, zähen, über die ganze Dauer der Behandlung an­haltenden Widerstand entgegen." (1916/17, zit. n. Hoffmann 1983, S. 296)

Die heftigste Form des Widerstands und auch die zentrale in der Psychotherapie ist die Übertragung. Dieses Phänomen hat Freud 1905 zum ersten Mal beschrieben und die Arbeit damit ist zu einem zentralen Axion seines gesamten Wirkens geworden. Gemeint damit ist, daß die unbefriedigten Be­dürfnisse nach Kontakt auf andere Personen als auf die ursprünglich frustrierenden übertragen wird. Diese werden als Ganzes auf eine andere Person projiziert, die (in diesem Fall der Therapeut) nicht mehr als er/sie selbst wahrgenommen wird, sondern - außerhalb des Bewußtseins - als die projizierte Person. Nicht ähnlich, sondern als diese Person.

Greenson (1967) beschreibt das so, daß Übertragung eine emotionelle Erfahrung darstellt, die nicht zu der aktu­ellen Person, sondern zu einer anderen gehört. Auf eine Person in der Gegenwart wird unpassenderweise so reagiert, als wäre sie eine Person der Vergangenheit.

Das hilft der Abwehr: wenn ich mich mit dem Therapeuten auseinandersetze, muß ich es nicht mit meinem Vater von vor 30 Jahren tun. Freud sagt prägnant dazu (1912):

"Die unbewußten Regungen (also die traumatischen Erfah­rungen des Kontakt- und Liebesverlustes, K.S.) wollen nicht erinnert werden (...), sondern streben danach, sich zu reproduzieren." (Seite 491)

Der Therapeut wird, - wie Berne sagt - ins Skript einge­baut. Das historische Verdient Freuds ist nicht so sehr, dieses Phänomen entdeckt und beschrieben zu haben, sondern es für die Psychotherapie nutzbar, mehr noch: zu einem ihrer zentralen Instrumente gemacht zu haben.

Denn wenn wir bedenken, wie viel uns der Klient über sich und seine frühen Erfahrungen erzählt, in dem er auf uns überträgt, wenn wir noch dazu berücksichtigen, wieviel enorme Energie er dafür aufwendet, was für einen starken Sog er entwickelt, um uns seinen Projektionen anzupassen, dann wäre es doch widersinnig, dieses Instrument nicht zu nutzen.

Freud sagt (1912),

"... daß gerade sie (die Übertragungsphänomene, K.S.) uns den unschätzbaren Dienst erweisen, die verborgenen und vergessenen Liebesregungen der Kranken aktuell und mani­fest zu machen (...). (Seite 492)

Nur in der Übertragung können die abgewehrten traumati­schen Erfahrungen bewußt werden; die therapeutische Be­ziehung muß also nicht nur hergestellt werden, damit der Klient genügend Vertrauen hat, um Schlimmes durchzu­ar­beiten, sondern um das Auftauchen in der Wiederholungssi­tuation der Übertragung zu ermöglichen. Im Durcharbeiten des Widerstands und der Übertragung wird erst für den Klienten greifbar, was mit ihm und um ihn passiert ist, als er klein war - und erst dann kann er die Projektion vom Therapeuten ablösen und sich therapeutisch mit den tatsächlichen (oder so erlebten) Elternfiguren ausein­an­dersetzen und so seine Fixierungen lösen. Ich werde das später an einem Fallbeispiel deutlich machen.

Gehen wir zu unseren am Anfang beschriebenen Schichten zu­rück. Wir haben gesagt, die erste Schicht am Anfang der Therapie hießt:

ICH WILL'S ANDERS HABEN

Mit den Überlegungen, die wir bis jetzt angestellt haben, können wir das Thema diese Phase präzisieren zu

ES SOLL ENDLICH GUT WERDEN

- gemeint ist damit natürlich 'gut' auf der Verhal­tense­bene. Die 2. Schicht - wo der Klient in den Widerstand geht - haben wir genannt

HILF MIR, ALLES SO ZU LASSEN, WIE'S IST

Wir können auch sagen: hier agiert der Klient sein Skript aus - mit dem Ziel, weiterhin all die schlimmen Erin­ne­rungen und Gefühle abwehren zu können. Er überträgt.

Gleichzeitig aber steckt natürlich in diesem 'Wiederho­lungs­zwang' des Skriptablaufs noch ein tieferes Bedür die immer gleichen Wiederholungen beenden zu können und die eigene Geschichte wirklich bewältigen und damit heute anders sein, anders denken, anders handeln, anders fühlen können. Diese dritte, unterste Schicht ist das Bedürfnis nach tiefer intrapsychischer Veränderung, danach, endlich ganzer Mensch zu werden und nicht mehr von der eigenen Ab­wehr bestimmt. In der Sprache des ursprünglichen Ich-Zu­standsmodells: die Fixierungen der Kindheit aufzulösen, die elterlichen Einflüsse zu überwinden und ein inte­grier­tes Erwachsenen-Ich entstehen zu lassen. Aber der Weg dort­hin geht nicht über 'Vermeidung' oder 'Überlisten Widerstands, sprich der Übertragung, sondern über ihre Entfaltung - um so zu einer tiefen Lösung der inneren Kon­flikte zu kommen. Über die Übertragung entdeckt der Klient seine verschütteten ERinnerungen und kann so letztlich die Projektion vom Therapeuten ablösen und die Konflikte mit den (inneren) Instanzen lösen, von denen sie herkommen: den Eltern bzw. anderen Elternfiguren.

Freud sagt dazu einen ganz zentralen Satz (1914):

"Das Hauptmittel (...), den Wiederholungszwang des Patienten zu bändigen und ihn zu einem Motiv fürs Erinnern umzuschaffen, liegt in der Handhabung der Übertragung." (Seite 523)

Seit etwa 1984 wird innerhalb der TA versucht, Verbin­dun­gen mit den Konzepten der Übertragung herzustellen, vor allem von Moiso und Novellino in Italien bzw. Richard Erskine und seinen Schülern in den USA und in Deutschland.

Dort möchte ich auch ansetzen, um hinzukommen auf mein Kon­zept von Therapieverlauf und -planung.

Was bei Übertragung passiert, ist - in TA-Diagrammen aus­gedrückt - Folgendes:

Diese Konzeption stammt übrigens von Moiso (1985, 1988), der das noch weiter in Unterstrukturen ausdifferenziert.

Wie wir gesehen haben, ist Übertragung nicht etwas, was man haben oder nicht haben bzw. vermeiden kann - sie ist da, ob man als Therapeut will oder nicht.

Was passiert aber, wenn man damit umgeht, wie traditi­o­nelle TA das fordert? Also: konfrontiert, inhaltliche Verträge schließt usw.?

Meine Hypothese ist, daß man damit die Übertragungsbe­zie­hung nicht vermeidet, sondern außerhalb des Bewußtseins trotzdem eingeht. Das heißt, der Klient - sozusagen fest zur Übertragung entschlossen - wird auch unsere vom Er kommenden Konfrontationen und Vertragsangebote als elter­lich wahrnehmen und darauf aus dem K reagieren (auf der verdeckten Ebene).

Wenn der Therapeut sich über diese Tatsachen nicht bewußt ist, besteht die Möglichkeit, daß er anfängt, selbst eige­ne ungelöste und schmerzliche Erfahrungen in den Therapie­prozeß außerhalb seines Bewußtseins einzubringen.

So etwas nennt man Gegenübertragung (oder in neuerer Ter­minologie auch Therapeuten-Übertragung): die eigenen uner­ledigten Geschäfte auf den Klienten zu projizieren in der Hoffnung, sie endlich zu lösen - den Klienten für sich arbeiten zu lassen und ihm das zu geben, was man selbst als Kind gebraucht hätte, aber nicht das, was der Klient braucht.

Was kann man da tun? Nun, als erstes genügend Eigen­the­ra­pie machen, um ausreichend in Kontakt mit seinen eigenen schmerzhaften Erfahrungen zu sein. Das denke ich wirklich, daß die erste Grundbedingung ist, bevor wir über weitere Theorie reden.

Dann wird es nämlich möglich, eine tatsächliche Übertra­gungs- Gegenübertragungsbeziehung einzugehen: das heißt, dem Klienten zu erlauben, zu übertragen und auszuagieren, mehr, es ihm zu ermöglichen und zu erleichtern. Was uns dabei als primäres Instrument dienen kann, ist wiederum die Gegenübertragung - aber in ihrer zweiten Bedeutung. Gegenübertragung außerhalb eigener ungelöster Geschäfte heißt nämlich zweierlei: der Wunsch, der Projektion des Klienten zu entsprechen und die abgewehrten, nicht aus­gedrückten Gefühle des Klienten aufnehmen zu können.

Ich habe schon vorher gesagt, daß Klienten sehr viel Energie dafür verwenden, den Therapeuten ihrer Eltern­projektion anzupassen. Diese Impulse aufzunehmen, uns selbst und unsere durch Eigentherapie, Supervision und Intuition geschulte Wahrnehmung als Instrument für die Übertragung des Klienten zu benutzen, das ist die Methode der Wahl in der therapeutischen Beziehung. Dann erzählt uns unser Impuls zur Langeweile eine Menge darüber, wie der Klient als Kind kein Interesse bei seinen Eltern fand. Unsere Angst vor ihnen erzählt uns etwas darüber, wie sie es gelernt haben, ihre eigene Angst dahinter zu verstek­ken, selber jemandem Angst einzujagen. Ich sage es noch einmal: die Anwendung dieses Instruments verlangt viel Eigentherapie, und zwar nicht nur am Beginn der Ausbil­dung, sondern immer und immer wieder als Begleitung im Beruf als Psychotherapeut.

Gehen wir nun über zu meinem Vorschlag für eine sinnvolle Einteilung der einzelnen Abschnitte der Therapie und damit auch einer Möglichkeit, vorausplanen zu können.

Vorausschickend möchte ich dazu sagen, daß so eine Ein­tei­lung immer nur eine Annäherung an die Wirklichkeit sein kann und daß natürlich die Abgrenzung zwischen den einzel­nen Phasen nicht klar verläuft. Ebenso kann und wird es auch immer ein Vor und Zurück oder auch manchmal ein Über­springen geben. Trotzdem denke ich, daß es möglich ist, ein Modell für die generelle Richtung zu geben. Ich möchte dazu nach dem Vorschlag vorgehen, den ich in meinem Buch (Sejkora 1989) ausgearbeitet habe; dabei werde ich die einzelnen Phasen durch die Entwicklung der Übertragung charakterisieren und anhand des hauptsächlichen Verlaufs der Transaktionen beschreiben. Dazu werde ich Ihnen Aus­schnitte der Fallbeschreibung eines Klienten geben, der seit vier Jahren bei mir in Therapie ist, wobei der Name und die näheren Umstände entsprechend verfremdet sind.

Die 4 Abschnitte, in die sich Therapie untergliedern läßt, sind:

  1. Herstellen der Beziehung
  2. Vorbereiten der Neuentscheidung
  3. Neuentscheidungen
  4. Integration

1. Herstellen der Beziehung
Das ist die Eingangsphase der Therapie; dabei geht es da­rum, den Grundstein für die Übertragungsbeziehung zu le­gen, also dem Klienten das Übertragen zu erleichtern. Das bedeutet: Empathie, wenig und nur vorsichtige Konfronta­tion, Kennenlernen des Problems und der Person des Klien­ten, viele, viele Fragen, Interesse. In diese Phase können auch Ratschläge, Enttrübungen, soziale Verträge zu kleine­ren Dingen, Erklärungen usw. fallen, kurzum, alles, was da­zu dient, Vertrauen herzustellen, um die Beziehung trag­fähig genug für die kommenden Belastungen zu machen. Wi­der­stand in dieser Phase begegnet man am ehesten, man ihn ignoriert, umschifft, allenfalls anerkennt und lobt.

Der Klient streckt seine Fühler aus nach einem geeigneten Objekt für seine Projektionen; wir als Therapeuten ermög­lichen und erleichtern ihm das, indem wir eher sparsam intervenieren und bewußt als Person eher im Hintergrund bleiben. Diese Phase ist oft eine starke Herausforderung an den Narzißmus des Therapeuten: es ist ja sehr einla­dend, gleich am Anfang wirkungsvoll, effektiv und viel­wissend dazustehen und uns Bewunderung und Idealisierung des Klienten so zu verschaffen. Das ist aber ja bereits die Einladung, uns der Wunschprojektion anzupassen. Der Klient muß Zeit haben, in uns das Übertragungsobjekt zu sehen, das er braucht - und nicht das, das wir ihm an­bieten, weil es für uns das angenehmste ist.

Auf der Ebene der Transaktionen passieren die hauptsäch­lichen Dinge so:

 

Der Therapeut arbeitet (und das tut er hoffentlich die ganze Zeit) aus seinem integrierten Erwachsenen-Ich­Zu­stand; der Klient agiert auf der offenen Ebene auch er­wach­sen und verdeckt vom Kindheits-Ich ans Eltern also lädt ein, sich seinen Projektionen anzupassen.

Diese Phase dauert unterschiedlich lange, je nach Art der Störung des Klienten: narzißtische und Borderline-­Persön­lichkeiten werden drängen, sehr rasch zur nächsten Phase überzugehen, bei neurotischen Strukturen, speziell Angst- und Zwangsneurosen kann es manchmal ein Jahr oder länger dauern. Bei psychotischen Strukturen haben wir manchmal überhaupt nicht die Gelegenheit dazu, lang eine Beziehung aufzubauen, sondern sind vom ersten Augenblick mitten in der Übertragung drin (die der Klient aber oft sehr geheim für sich halten wird, z.B. bei paranoiden Psychosen). Tat­sächlich ist es aber nötig, gerade bei psychotischen Struk­turen in der ambulanten psychothe­rapeutischen A dem Aufbau der Beziehung, der ersten Phase, sehr, sehr viel Zeit, mehrere Jahre zu geben. Manchmal ist es sogar nötig, die Frequenz der Therapie­sitzungen auszudünnen.

Kurz zusammengefaßt kann man über diese Phase sagen: das Zentrale in der Therapie ist letztlich immer das Her­stel­len von Kontakt in der Beziehung; und in diesem Abschnitt ist das am Ehesten möglich, wenn der Therapeut als Person tendenziell zurücktritt und der Kontakt hauptsächlich über Einfühlen, Interesse und Rückmeldungen hergestellt wird.

   

Fallbeispiel

Georg ist Anfang dreißig, als er in Therapie kommt. Er ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Seine Symptome sind die einer Angstneurose: er leidet in immer stärkerem Ausmaß unter Panikattacken, unter der Angst, plötzlich be­wußtlos umzufallen, an unklaren und gefährlichen Krankhei­ten zu leiden usw..

In den ersten Monaten der Therapie spreche ich viel mit ihm über seine Angst (ohne Hypothesen über Hintergründe und Zusammenhänge anzustellen). Interessant dabei ist, daß Georg diese Angst als solche definiert, sondern dafür Wor­te wie Nervosität, Unruhe usw. verwendet. Das ist sympto­ma­tisch dafür, wie wenig Zugang er zu diesem Zeitpun seinen Gefühlen hat: er weiß nicht einmal Namen dafür. Ich lasse ihn erzählen, wie schlimm diese "Beunruhigungen" für ihn sind, in welchen Situationen sie auftreten, wie sie sein Familien- und Berufsleben beeinträchtigen; wir spre­chen über seine aktuelle Lebenssituation, seine Ehe, die Ungeduld seiner Frau über seine Symptome, seine Lebensge­schichte. Mehr und mehr erfahre ich über ihn: er ist ein Einzelkind, seine Eltern waren beide schon um die vierzig, als er geboren wurde. Seine Mutter war immer stark über­be­sorgt um ihn, verstärkt durch mehrere schwerere Krankhei­ten, die er als Kind hatte. Als er etwa zwölf war, haben sich seine Eltern nach viele Jahre dauernden Konflikten scheiden lassen. Immer wieder erzählt er über diese offen­sichtlichen Schnittstellen seiner Geschichte: die Mutter mit der großen Angst um ihn und die starken Konflikte der Eltern bis hin zur Trennung.

Von der Übertragungssituation her merke ich in diesem Ab­schnitt verschiedene Dinge: Georg drängt immer wieder da­rauf, ich möge doch endlich eine Lösung für seine Probleme finden, sozusagen ein "Medikament" verschreiben. Er scheint mir sehr viel Macht zu geben und alle Vorausset­zungen für seine Heilung in meine Hände zu legen. Gleich­zei­tig wirkt er als Person eher spröde, schwer erreic er redet umständlich, so als ob es sehr mühsam wäre, sich mir verständlich zu machen. Und dementsprechend sind die Gegenübertragungsgefühle, die ich spüren kann: einerseits spüre ich den Impuls, abzuwehren, zu signalisieren, daß er für sich selber Verantwortung übernehmen solle und nicht alles mir übergeben, andererseits ist es oft langwierig und mühsam, mit Interesse und Anteilnahme bei ihm zu blei­ben.

2. Vorbereiten der Neuentscheidung
Vom Übertragungsgesichtspunkt her würde ich diese Phase nennen: Ausleben der Übertragung. Der Klient hat sein Projektionsobjekt gefunden und agiert sein Skript aus. Hier beginnt der offensichtliche Widerstand in all seinen vielfältigen Formen.

Wichtig ist zweierlei: das Übertragen ist zu diesem Zeitpunkt weit außerhalb des Bewußtseins des Klienten - und es muß nicht immer massiv und deutlich sein, sondern kann auch sehr subtil sein: dann nämlich, wenn der Klient eine hohe Fertigkeit in Überanpassung hat. Dann wird er ganz so sein, wie wir es von ihm erwarten und uns sehr, sehr wenig von seiner Übertragung deutlich merken lassen. Gerade bei verschiedenen Formen von neurotischen Störungen kann so ein Verhalten weite Teile dieser Phase dominieren.

In dieser Phase können oft wichtige Einsichten in Skript­me­chanismen (hauptsächlich auf der kognitiven Ebene) erar­beitet werden. Alle Formen von Arbeit, die dabei helfen, sind nützlich: Spielanalyse, Racketanalyse, Sesselarbeit, Enttrübungen, kreative Arbeit (Malen, Fantasiereisen, Traumarbeit, Märchenarbeit, leichte Körperarbeit). Zwei Dinge entwickeln sich so: der Klient bekommt Einsichten in seine Lebensgeschichten und vage Ideen über die frühen ab­gewehrten Traumatisierungen, und er kommt in Kontakt mit seinen Gefühlen. Beides ist unumgänglich wichtig für die nächste, die zentrale Phase. Zusätzlich wird die Vertrau­ensbeziehung zum Therapeuten gestärkt; auch das braucht der Klient, um bei der Stange bleiben und den weiteren Therapieprozeß durchstehen zu können.

Natürlich ist die Übertragung ganz und gar nicht immer positiv und angenehm für den Therapeuten; sie kann oft in vehementer Angst, Wut und Ablehnung bestehen (gerade bei narzißtischen oder Borderline-Persönlichkeitsströrungen, aber auch bei psychotischen Strukturen). Genauso und oft schnell wechselnd kann der Klient uns über alle Maßen lieben und verehren, auch sexuell begehren und manchmal vehement verführerisch sein, direkt und indirekt. Wenn Therapeuten Beziehungen mit ihren KlientenInnen eingehen, dann meist in dieser Phase.

Wie gesagt, das alles spielt sich weitgehend außerhalb des Bewußtseins unserer Klienten ab, und dort soll es vorerst auch bleiben. Jetzt die Übertragung zu konfrontieren, wäre verfrüht - der Klient würde es als Zurückweisung erleben. Als Therapeuten sind wir in hohem Maß auf unsere konstruk­tive Gegenübertragung angewiesen. Im Verhalten zum Klien­ten hin ist es wichtig, sehr konstant und auch ausreichend verfügbar zu sein. Das heißt nicht, daß wir uns hinter einer Maske verstecken müssen; es ist auch wichtig, di­rekt, fest und klar zu sein, nicht nur gewährend und ver­stehend. Wir können davon ausgehen, daß der Klient uns mit seinem Verhalten auf die eine oder andere Art zum Kontakt­abbruch im Ausleben seines Skripts bringen will. Es ist da­her wichtig, ihm den Kontakt entgegen seinen Übertra­gungswünschen zu geben; das kann manchmal auch heißen, un­freundlich und bestimmend zu sein. Das sind Zeiten, die für uns manchmal nicht einfach durchzustehen sind; wichtig ist das Bewußtsein, daß es nicht wir als reale Personen sind, die der Klient mit seinem Verhalten meint.

Diese Phase kann oft sehr, sehr lang sein - unter Umstän­den mehrere Jahre -, und es kann auch immer wieder ein Zu­rückgehen zu diesem Abschnitt geben, wenn auch schon man­che Teile durchge­arbeitet sind, andere wichtige aber fehlen.

Die Transaktionen des Klienten kommen hauptsächlich direkt aus dem Kindheits-Ich-Zustand (manchmal auch von seinen Eltern-Introjekten), und zwar offen und nicht mehr ver­deckt. Der Therapeut agiert aus dem integrierten Er. Seine Aufgabe ist es, die durch die Kreuzung unterbrochene Kom­munikation immer wieder aufzunehmen und damit nicht ins Skript des Klienten einzusteigen.

 

Fallbeispiel:

Nach etwa einem Jahr Therapie nimmt Georg an einem Thera­pie­seminar teil. In solchen Situationen wirkt of Grup­pe als Katalysator für die Übertragung. Georg andere Leute mit tiefen Gefühlen arbeiten und mich im Umgang mit ihnen und ist vorerst tief beeindruckt. Auch nach dem Seminar will er unbedingt, daß ich auf eine ähn­li­che Art mit ihm arbeite, wie er dort gesehen ha scheinbaren Gegensatz dazu kommt aber die Therapie zum (ebenfalls scheinbaren) Stillstand: Georg spricht fast nichts mehr, ausgenommen seine Wünsche, ich möge doch endlich den Prozeß aktiv in die Hand nehmen und für ihn die Veränderung herbeiführen, die er sich so dringend er­hofft. Je mehr ich ihn frage, umso "halsstarriger" scheint er zu werden. Er schweigt entweder oder sagt er könne sich an nichts erinnern, fühle keine Gefühle, wisse von nichts. Mein Gegenübertragungsgefühl ist zunehmender Ärger, es scheint, als ob ich die Aggressivität, die er nicht anders als durch Verweigerung ausdrücken kann, für ihn übernehmen wollte. Schließlich entsteht in der 42. Therapiesitzung fol­gendes Gespräch

Th: Wie geht es Dir denn, wenn Du so lange schweigst oder auf meine Fragen kaum Antworten weißt?

G: (nach langem Schweigen) Wie soll es mir da schon gehen?

Th: Ich kann mir vorstellen, daß Dich das sehr zornig macht, daß ich Dir in Deinen Augen nicht weiterhelfen kann oder will.

G: Weiß nicht...

Th: Ich kann mir vorstellen, daß Du diesen Ärger nicht wirk­lich spüren kannst.

G: (schweigt)

Th: Aber auch schweigen und Verweigerung ist eine Form, Aggressivität auszudrücken.

G: (schweigt)

Th: Mir ist wichtig, Dir mitzuteilen, daß ich diesen Ärger gut verstehen kann.

G: (schaut mich betroffen an) Wirklich?

Th: Ja.

G: Es tut mir wirklich leid. Ich mache das nicht absicht­lich, aber es geht einfach nicht. Ich will sprechen, aber dann ist es einfach vorbei.

Meine Intervention:

Ich kann den Ärger sehen und ihn verstehen, war für Georg in seiner Übertragung und seinem Skript etwas völlig Neu­es, das sich für ihn einerseits fremd, andererseits aber auch ein Stück sicher anfühlte.

In der Übertragung werden dabei zwei Dinge deutlich: Ei­ner­seits der verzweifelte Wunsch des Kindes, nicht s Verantwortung tragen zu müssen, sondern jemanden zu haben, der ihm hilft. Andererseits aber auch die nicht ausdrück­bare, nicht einmal fühlbare Wut darüber, so im Stich ge­las­sen zu werden.

Meine Gegenübertragungsgefühle (Langeweile und Ärger) zei­gen mir einerseits, wie wenig Interesse Georgs Eltern für ihn vermutlich gehabt haben, andererseits aber auch die Wut, die ich für ihn aufnehme und die er nicht selber aus­drücken kann.

In der Folge beginnt sich Georg mehr und mehr an seine Kindheit zu erinnern. Zu diesem Zeitpunkt geht dieses Er­innern allerdings weitgehend ohne begleitende Gefühle vor sich. Er erzählt davon, wie allein er als Einzelkind war, wie sich seine Eltern hauptsächlich um ihn kümmerten, wenn er krank war, wie sie ihn festhielten und ihm nicht er­laub­ten, seinem Alter entsprechend aktiv zu werde Kontakte mit anderen Kindern zu suchen.

Auch die Erinnerung an die Konflikte seiner Eltern rückt mehr und mehr in den Vordergrund: Georg erinnert zahllose Streitereien, Vorwürfe der Mutter, das Fortlaufen des Va­ters, die hysterische Verzweiflung der Mutter - während er selbst im Bett lag und sich die Decke über den Kopf zog, um von all dem nichts mehr mitzubekommen.                                       

3. Neuentscheidungen    
Das ist die Kernphase der Psychotherapie; sie besteht im Durcharbeiten der Übertragung, der Ablösung der Projektion vom Therapeuten und damit verbunden dem Auftauchen der ver­schütteten Erinnerungen und dem Lösen und Bewäl der traumatischen Skripterfahrungen.

Im allgemeinen ist das nicht ein Punkt (wie es in der Ar­beit der Gouldings  <1978,1981> beschrieben wird), sondern ein längerer Prozeß. Dieser kann, muß aber keineswegs kul­minieren in 'klassischen' TA-Neuentschei­dungen: 'So ich's bis jetzt gemacht, Mutter, aber damit ist jetzt Schluß. Ab jetzt mach ich xy anders!'

'Neuentscheidung' ist hier so zu verstehen, daß die alte Entscheidung zur Abwehr aufgegeben und damit die Fixierung des Kindheits-Ichs gelöst werden kann. So kann ihn der The­rapie eine ganz neue Art von Beziehung möglich we indem die Bewußtheit über die alte Verletzung ins inte­grierte Erwachsenen-Ich aufgenommen werden. Neuentscheiden ist auch immer ein Prozeß des Aufgebens der Hoffnung, des Sich-Abfindens mit dem was war und auch des Sich-Abfindens mit den lebensgeschichtlich erfahrenen persönlichen Behin­derungen.

Aus all dem wird deutlich, daß es sich um einen gefühlsin­tensiven Abschnitt der Therapie handelt: Gefühle zu den Erinnerungen, die auftauchen (tiefe Wut, tiefer Schmerz, tiefe Angst) ebenso wie Gefühle der tiefen Trauer im Sich-­Abfinden und Hoffnung aufgeben; gleichzeitig auch Gefühle neuer Hoffnung, neuer Lebensfreude und Vita­lität im 'Ganzwerden'.

Es ist nicht notwendig, nach bestimmten 'Szenen' zu su­chen, und zwar aus zwei Gründen:

  • erstens gibt es diese 'Szenen', die so entscheidend und traumatisierend waren, nur zum Teil. Sehr häufig ist die Entwicklungsgeschichte und damit die Skriptgeschichte der Menschen, mit denen wir arbeiten, von einer Art 'kumula­tivem Trauma' gekennzeichnet (der Ausdruck stammt von Khan, zitiert nach Erskine <1990>). Das ist wie bei der 'chinesischen Tropfenfolter': ein Tropfen, der auf die rasierte Stelle der Kopfhaut fällt, ist belanglos, aber Hunderte, Tausende gleichmäßig fallende Tropfen treiben einen zum Wahnsinn.
  • und zweitens tauchen im Allgemeinen im Durcharbeiten der Übertragung die vielfältigsten Erinnerungen und die damit verbundenen Gefühle fast 'von selbst' auf - dank der in der festen Beziehung zum Therapeuten gelockerten Abwehr.

Was heißt nun 'Durcharbeiten der Übertragung'? Indem wir mit dem Klienten analysieren, was er mit uns (oder z.B. anderen Mitgliedern der Therapiegruppe) wiederholt, indem wir ihn auf die ungestillte Sehnsucht dahinter hinweisen, kann er in Kontakt damit kommen, wie er es schon ein Leben lang gleich macht. Dabei erkennt er Stück für Stück, daß es nicht um den Therapeuten geht, sondern um die Mutter / den Vater usw. dahinter.Die Projektion kann vom Therapeu­ten abgelöst und als Teil des eigenen Ichs (im Eltern-Ich, der Exteropsyche) begriffen werden.

Transaktions-analytisch heißt das:

Die Transaktionsebene K-El läuft in der Hauptsache zwi­schen den eigenen Ich-Zuständen als intrapsychischer Aus­einandersetzungsvorgang ab; dadurch wird allmählich zwi­schen Therapeut und Klient eine 'Realbeziehung', eine Kom­munikation Er-Er möglich (die dann vor allem in der letz­ten Therapiephase zum Tragen kommen wird). Natürlich ist das idealtypisch; natürlich gibt es immer wieder Abschnit­te heftiger Übertragung, die noch länger nicht auflösbar sind, und natürlich gibt es auch schon früher Elemente einer Realbeziehung zwischen Klient und Therapeut.

Interventionstechnisch geht es mehr denn je darum, die Be­ziehung, den Kontakt, das Ich-Du in den Vordergrund zu stel­len. Ausgezeichnete Fragen dafür sind z.B. 'Was w Du mir sagen, indem Du xy sagst oder tust?', 'Was ist Dir wichtig, daß ich von Dir weiß?'; weiters Rückmeldungen über die Gegenübertragung und Fragen nach den Gefühlen, die das beim Klienten auslöst.

Drei Elemente der TA-Arbeit sind hier ganz vorzüglich an­zu­wenden: das Racket- oder Skript-System (nach Erskine/SNLZalcman <1979, Erskine/Moursund (1991>), um von der Übertragung (Display) aus den Klienten mit seinen ver­stärkenden Erinnerungen und abgewehrten Gefühlen in Kon­takt zu bringen.

Weiters punktuelle Beelterungsarbeit (Osnes 1974): das bringt den Klienten sehr stark in Berührung mit den De­fiziten, die er erlebt hat und der Trauer und Wut darüber, wie es sein hätte können. Das ist Arbeit in und aus der Übertragung heraus, um sie letztlich vom Therapeuten ab­lösen zu können.

Und schließlich - wenn die Bedeutung der Introjekte klar geworden ist - Arbeit mit dem Eltern-Ich(McNeel 1976, Mel­lor/Andrewartha 1980, Sejkora 1989, Erskine/Moursund 1991), also wenn der Klient selbst sein Vater, seine Mut­ter etc. 'ist' und der Therapeut mit dieser Elternfigur thera­peutisch arbeitet. Dadurch können die inneren Bot­schaften unterbrochen und die Fixierung des Kindes nach­haltig gelöst werden. Überhaupt ist ein sehr differen­zier­tes Verständnis des El in dieser Phase entscheidend wich­tig (Loria 1988).

Das kann verbunden werden mit den verschiedensten Formen re­gressiver und Körperarbeit, Gestalttechniken, Traumar­beit usw.

Wichtig ist jedoch, daß die Technik Technik bleibt und so­mit zweitrangig. Vorrangig ist Beziehung und Kontakt. Die Beziehung, nicht die Technik, ist das Medium der Therapie - in dieser noch mehr als in den vorhergehenden Phasen. Da­bei tritt immer mehr und mehr der Therapeut als r greifbare, authentische Person für den Klienten ins Blick­feld. Und das ist unter anderem deswegen wichtig, weil vie­le Klienten in dieser Phase Schauderhaftes durchm an Ängsten, Wut, Verzweiflung, Identitäts­krisen, Suizida­li­tät usw..

Fallbeispiel:

Nach etwa 2 1/2 Jahren Therapie sind die Angstsymptome Georgs zwar nicht verschwunden, aber doch wesentlich klei­ner geworden bzw. er hat erkannt, daß sich ein Großteil der Angst auf den Punkt 'im Stich gelassen werden' konzen­triert und muß sie daher nicht mehr auf andere Dinge ver­schieben. Weiters hat er begriffen, daß er eine Menge an Wut abwehrt, weil diese frühe Wut auf seine Eltern wiede­rum Angst vor dem Verlassenwerden in seinem Kindheits-­Ich-­Zu­stand auslöst (Wenn er so wütend auf seine E geworden wäre, wie ihm danach zumute war, hätten sie ihn erst recht im Stich gelassen). Zu diesem Zeitpunkt ist er in wöchentlicher Einzeltherapie, wechselt dann aber für einige Zeit in eine meiner laufenden Therapiegruppen. Nach einigen Wochen entwickelt er dort folgendes Muster: er meldet sich Sitzung für Sitzung zur Einzeltherapie an, war­tet dann unruhig darauf dranzukommen, läßt aber wieder anderen den Vortritt und kommt so nie wirklich an die Reihe. Ich merke, daß er mir zunehmend aus dem Weg geht und spreche das schließlich an.

Th: Ich möchte Dir gern sagen, wie ich Dich die letzten Wochen erlebe. Ich sehe, daß Du Dich jede Woche zum Arbei­ten anmeldest und sagst, es ist Dir sehr wichtig. Dann ver­schiebst Du es immer wieder und läßt wen andern aber gleichzeitig habe ich den Eindruck, daß Deine Unruhe dabei weiter zunimmt.

G: Ja. Aber - ich weiß nicht, ob ich mich trau, Dir das zu sagen...

Th: Mhm, ich hab auch den Eindruck, es hat was mit der Be­ziehung zu mir zu tun. Mir fällt auf, daß es Dir schwer­fällt, mich anzuschauen und anzusprechen. Ich merk' das auch, wenn Du kommst und grüßt oder wenn Du Dich am Schluß verabschiedest.

G: Ja. Das hast Du bemerkt?

Th: Ja. Erstaunt Dich das?

G: Sehr! Ich - ich denk mir immer, du willst gar nicht mit mir arbeiten.

Th: Ah! Ich will nicht mit Dir arbeiten?

G: Ja, irgendwie muß Dir das doch schon auf die Nerven ge­hen, so lange Zeit mit mir, und die andern wollen ja auch ständig was Wichtiges von Dir.

Th: Mhm. Und wenn Du das denkst - wie fühlt sich das an?

G: So irgendwie hilflos und aussichtslos. Ich muß mich dann sehr bemühen, aber es wird ja doch nichts dabei raus­kommen.

Th: Ja. Das muß ein Dilemma sein: Du brauchst mich, und ich will von Dir nichts wissen.

G: Genau. - Und was soll ich jetzt machen?

Th: Gibt's was, das Du von mir dazu wissen willst?

G: Ich weiß nicht recht. Wenn Du jetzt sagst, nein, nein, das ist nicht so, dann weiß ich nicht, ob ich Dir das glau­ben kann.

Th: Vielleicht ist es wichtig für Dich zu glauben, daß Du mir nicht wichtig bist.

G: Hm.

Th: Laß uns nochmal auf Deine Gefühle schauen: Du bist mir nicht wichtig, obwohl Du mich sehr brauchst. Und das fühlt sich hilflos an. - Wie ist das da innen drinnen, so hilf­los zu sein?

G: Ich merk, daß ich jetzt sehr vorsichtig werde.

Th: Ja. Wie fühlt sich das an?

G: Angst. Ich krieg Angst. Und auch traurig werde ich.

Th: Mhm. Bleib ruhig bei der Angst und der Traurigkeit.

G: Weißt Du, das ist so trostlos - ich denk mir dann, ich kann machen, was ich will, es nutzt ja doch nichts.

Th: Mhm. Kennst Du diese Art zu fühlen aus Deinem Leben?

G: Ja, wahrscheinlich wird's wieder was aus meiner Kind­heit sein.

Th: Das klingt, als ob Du diese Erinnerung nicht ganz ernst nehmen würdest.

G: (nach längerer Pause) Mhm. Es ist so - so, egal, was ich sage, egal, was ich tue, sie sind so beschäftigt mit sich und ihrem Streit, sie hören mich ja doch nicht.

Th: Sie sind Deine Eltern?

G: Ja.

Th: Und wie ist das, wenn Du so empfindest?

G: Jetzt, wo Du mich fragst - im Moment kommt mir vor, ich hab nie was anderes gefühlt.

Th: Das muß weh tun.

G: (nickt und beginnt zu weinen)

Th: Ja. Bleib bei diesen Gefühlen.

G: Weißt Du, ich sehe mich immer wieder im Bett liegen und die Decke über den Kopf ziehen und innerlich fleh und bett­le ich: Hört doch auf, hört doch auf, hört doch Und dann kommt wieder dieses Gefühl - so ein Gefühl, als ob ich einen See mit einem Löffel ausschöpfen müßte...

Th: Etwas, das für Dich viel zu groß zum Bewältigen ist?

G: (nickt, weint)

Th: Wie alt bist Du da?

G: Ungefähr fünf, o Gott! (weint)

In den nächsten zehn Minuten kommt die ganze Erinnerung an damals, begleitet von heftigem Weinen und schließlich auch Wut. In den darauffolgenden Wochen taucht in großen Brok- ken jede Menge von Verlassenheitssituationen und Verlas­senheitsangst auf. Schließlich arbeite ich noch über meh­rere Sitzungen hinweg mit G.'s Mutter-Introjekt und der frühen Verlassenheit der Mutter. G. erkennt schließlich, wie einsam die Mutter selbst war; die 'innere Mutter' ver­liert ihre Bedrohlichkeit und damit den inneren Einfluß auf das fixierte Kindheits-Ich. Die inneren Botschaften wie 'du mußt immer alleine bleiben und darfst niemandem nahe kommen' verlieren ihre Bedeutung.

In der Folgezeit kommt ein Stück Integrationsarbeit, das ich im 4. Abschnitt beschreiben werde, wo G. seine Fähig­keit, erwachsen und in eigener Entscheidung Menschen nahe zu kommen, ausprobiert und festigt.

Danach hört er mit der Gruppe auf und kommt nur mehr ca. alle 4 Wochen zur Einzeltherapie.

Erst vor etwa einem halben Jahr - nach 3 1/2 Jahren Thera­pie - war er innerlich bereit, ein weiteres Stück abge­wehr­ter Erinnerung aufsteigen zu lassen. Denn nur ein seiner abgewehrten Gefühle durfte in der Therapie intensiv aufsteigen: die Verzweiflung. Die tiefe Wut auf seine El­tern konnte bis zu diesem Zeitpunkt nur sehr wenig gefühlt und ausgedrückt werden. Das allmähliche Auftauchen dieser Gefühle läßt sich in der Therapie wiederum an scheinbaren 'Blockaden' erkennen: Georg schweigt wieder öfter, drückt Distanz und auf subtile Weise Ablehnung zu mir aus. Wieder gebe ich ihm die Rückmeldung, daß ich diese Wut sehen und verstehen könne und daß er so wütend wie auch immer auf mich sein könne, ich würde die Therapie nicht abbrechen. Zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits genügend übertragungs­freien Raum in der Therapiebeziehung, daß er mir das glau­ben kann und fühlt sich etwas sicherer. Im vergangenen Som­mer schließlich war er auf einem Therapieseminar ich mit einem Co-Therapeuten gemeinsam leitete. Am zweiten Tag des Seminars hatte ich mit diesem Co-Therapeuten einen Konflikt, der für die Gruppe spürbar wurde und den wir auch zum Teil in der Gruppe ansprachen. Wir - die beiden Therapeuten - konnten diesen Konflikt für uns klären und lösen und gut miteinander weiterarbeiten. Georg jedoch schien nach diesen Ereignissen zu erstarren: er saß da, als ob er gar nicht richtig hier wäre mit abwesendem Blick und steifer Körperhaltung. Nach etwa einem halben Tag sprach ich ihn darauf an.

Th: Georg, ich sehe Dich seit einigen Stunden ganz er­starrt und fast wie abwesend dasitzen. Magst Du erzählen, was los ist?

G: Es ist nur - hast Du das absichtlich getan?

Th: Was?

G: Dieser Streit mit dem S. (Co-Therapeut).

Th: Was meinst Du mit absichtlich?

G: Das halte ich nicht aus! Das halte ich nicht aus!!

Th: Was hältst Du nicht aus, Georg?

G: Ich habe dann so das Gefühl, es ist alles aus, es geht nichts mehr weiter.

Th: Was wird nicht mehr weitergehen?

G: So das ganze Leben. Ihr werdet nur mehr miteinander streiten und abreisen und so ...

Th: Wir werden Dich im Stich lassen?

G: Ja.

Th: So, wie damals Deine Eltern gedroht haben, Dich im Stich zu lassen.

G: Ja, genau so!

Th: Merkst Du, wie Du wütend bist?

G: Ja, ich könnt alles in Trümmer schlagen!

Th: Sag das Deinen Eltern.

G: Ich könnt alles in Trümmer schlagen!

Th: Ich könnt Euch in Trümmer schlagen!

G: Ich könnt Euch in Trümmer schlagen! Ich könnt Euch um­bringen!

Th: Spür diese Wut: Ich könnt Euch umbringen!

G: (sehr wütend, nimmt ein Kissen). Ich könnt Euch umbrin­gen! (beginnt mit dem Kissen, auf den Boden zu schlagen)

Th: Mach das fester, Georg.

G: Ich ertrag das nicht, hört endlich auf mit Eurem ewigen Streit.

In der Folge drückt Georg intensive Wut aus und richtet an seine Eltern den Wunsch, ihren Konflikt endlich zu beenden und sich um ihn zu kümmern. Nachdem die Wut ausgedrückt ist, folgt noch ein Schub Verzweiflung und auch Angst. Etwa eine halbe Stunde lang wird Georg von heftigem Weinen geschüttelt, bis er sich allmählich beruhigt.

G: All die Jahre hab ich irgendwo gewußt, daß es dort sitzt, aber ich bin nicht hingekommen. Aber das war es, was mir noch gefehlt hat

4. Integration und Abschluß
In dieser letzten Therapiephase geht es um den Transfer, um die Umsetzung der neuen Entscheidungen ins Alltagsle­ben, darum, die Erfahrungen, die beim Aussteigen aus dem Skript gemacht werden, nicht wieder skriptgerecht einzu­binden. Das ist ein Abschnitt, bei dem dem Therapeuten eher die Rolle eines Begleiters und Freundes zukommt. Natürlich beginnt die Integration nicht erst ganz am Schluß, sondern läuft immer wieder begleitend mit bei allen Veränderungen, die der Klient in seinem Leben auf­grund der Erfahrungen und durchgearbeiteten Erinnerungen aus der Therapie vornimmt. Schließlich kommt dann der Abschluß, das Trennen der Beziehung zum Therapeuten und die Trauer darüber. Oft ist das noch mit einem Stück Ar­beit an frühen Trennungen und mit auftauchenden Ver­las­senheitsängsten verbunden.

Im Diagramm sieht das so aus:

 

Therapeut und Klient sind zwei separate Persönlichkeiten; die Übertragung ist gelöst, die Kommunikation erfolgt von Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich.

Technisch gehe ich dabei meistens so vor, daß ich die Ab­stände zwischen den Therapiesitzungen vergrößere, um dem Klienten Zeit zu lassen, Erfahrungen zu sammeln, über die wir dann in den Stunden sprechen können.

Fallbeispiel:

Ein Teil der Integrationsarbeit mit Georg findet nach dem Durcharbeiten der Verlassenheit statt. Er ändert seine Art der Beziehungsaufnahme zu anderen Menschen, insbesondere in seiner Ehe, und wir analysieren seine Erfahrungen dabei und Möglichkeiten, nicht wieder ins alte Skript zurückzu­gehen, wenn es kritisch wird. In der Lösungsphase sind wir gerade (wenn nicht - was nie auszuschließen ist - noch ein Stück 'nachkommt'):

Er kommt etwa ein Mal im Monat; Themen sind jetzt haupt­säch­lich seine Fähigkeit, sich im Beruf und in s Partnerschaft durchzusetzen und sein Umgang mit sich selbst, wenn Angst und Rückzugswünsche auftauchen.

In all meinen Ausführungen ist deutlich geworden, was für den TA-Therapeuten die Basis-Hilfsmittel sind:

1. Die Analyse der Transaktionen:als eine Analyse von Übertragung und Gegenübertragung bzw. als Analyse des aktuellen Stands der therapeutischen Beziehung und der Lösung der Übertragung hin zu einer 'Realbeziehung' und 2. dem dazu notwendigen Vorgang, der vom Therapeuten den ganzen Prozeß hindurch geleistet werden muß: die Diagnose der Ich-Zustände in ihren 4 Komponenten:

 

  • Verhaltensdiagnose
  • soziale Diagnose (insbesondere durch Diagnose der ei­ge­nen Gegenübertragung)
  • historische Diagnose (u.a. durch Skriptanalyse) und     - phänomenologische Diagnose (durch Wiedererinnern und        Durcharbeiten)

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Literatur:

  • BERNE, E.: Transactional Analysis in Psychotherapy. New York 1961
  •    Was sagen Sie, nachdem Sie Guten Tag gesagthaben? Fischer tb 1983                             
  • ERSKINE,R.G.: Six Stages of Treatment. In: Selected Articles from the Transactional Analysis         Journal 71-80
  • ERSKINE,R.G.: Ego Stucture, Intrapsychic Function and Defense Mechanisms. A Commentary on Eric       Berne's Original Concepts. In: Transactional Analysis Journal 18
  • ERSKINE,R.G.: Object Relations Theory and Relationship Therapy. Workshop, München 1990
  • ERSKINE,R.G.: Transference and Transactions. Critique from an Intrapsychic and Integrative           Perspective. In: Transactional Analysis Journal 21
  • ERSKINE,R.G./MOURSUND,J.: Kontakt, Ich-Zustände, Lebensplan. Paderborn 1991
  • ERSKINE,R.G./ZALCMAN,M.: The Racket System. In: Selected Articles from the Transactional             Analysis Journal 71-88
  • FREUD,S.: Zur Dynamik der Übertragung (1912)
  •    Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung (1913)                    Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten (1914)
  • Bemerkungen über die Übertragungsliebe (1915)
  • Zur Frage der Laienanalyse (1926)
  • HOLLOWAY, W.H.: Transaktionsanalyse: Eine integrative Sicht. In: Barnes, G.: TA seit Eric Berne,     Bd.2, Berlin 1980
  • JAMES,M.: Treatment Procedures. In: James,M.: Techniques in Transactional Analysis, Reading 1977
  • LOOMIS,E./LANDSMAN,S.G.: Manisch-depressive Struktur: Möglichkeiten der Behandlung.                  In:Zeitschrift für TA,Jg2
  • LORIA,B.R.: The Parent Ego State: Theoretical Foundations and Alterations. In: TAJ 18
  • MOISO,C.: Ego States and Transference. In: TAJ 15                                                    Ego States Transference and the TA Psychodynamic Approach-an Overview. Eric Berne Memorial        Scientific Award Acceptance Speech. In: TAJ 18
  • McNEEl,J.: The Parent Interview. In: Selected Articles from the TAJ 71-80
  • MELLOR,K./ANDREWARTHA,G.:Reparenting the Parent in Support of Redicisions. In: Selected              Articles from the TAJ 71-80
  • OSNES,R.: Spot reparenting.In: Selected Articles from the TAJ 71-80
  • SEJKORA,K.: Männer unter Druck. Wege aus typisch männlichen Lebenskonflikten. Salzburg 1989
  • WOOLLAMS,S./BROWN,M.: Transactional Analysis. Dexter 1978

 

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