Die Pandemie verändert uns: konstruktiv mit dem Trauma umgehen. Der dritte Corona-Blog

„Gib Worte deinem Schmerz: Gram, der nicht spricht
Presst das beladne Herz, bis dass es bricht.“

(Shakespeare, Macbeth, 4. Akt, 3.Szene)
Wir alle stecken mitten in einer traumatischen Situation. Wir erleben Angst, Isolation, Einsamkeit, Ungewissheit, Frustration, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Depression, Überforderung, Schmerz, Trauer, Wut, Kränkung, Enttäuschung. Und wir stellen uns die Frage: was wird das mit uns als Menschen machen? Wie werden wir sein, wenn das alles vorbei ist? Wir werden uns in unserer Persönlichkeit verändern, das ist sicher. Zum Besseren? Zum Schlechteren?
Trauma bedeutet im Altgriechischen „Wunde“. In der klinischen Psychologie verstehen wir darunter subjektiv oder objektive tiefe Verletzungen, Belastungen, die an die Grenzen dessen gehen, was wir mit unseren persönlichen Strategien bewältigen können. Es ist nicht „nur“ eine tiefe Verletzung, die wir gerade erleben: wir haben Angst vor der Krankheit, manche Menschen auch Todesangst. Zentrale Inhalte, die unserem Leben Sinn geben, wurden uns auf unbestimmte Zeit genommen: wichtige und geliebte Menschen, die Arbeit, Bewegungsfreiheit. Vieles von dem, was bisher sicher schien, ist auf einmal weg. Jedes davon für sich genommen ist traumatisch genug – die Häufung verdichtet sich zu etwas, das „kumulatives Trauma“ genannt wird. Nicht selten tauchen bewusst und unbewusst Erinnerungen an frühere Traumatisierungen auf, zum Beispiel an Krankheiten und Krankenhausaufenthalte, an Verlassenwerden und Verluste.
Beunruhigend, finden Sie nicht auch? Und erstaunlich, dass die meisten von uns ruhig und über weite Strecken freundlich und gelassen bleiben können. Wir haben unsere Schutzmechanismen, um mit der momentanen Situation umzugehen. Aus der psychologischen Forschung, besonders nach 9/11, wissen wir, dass viel Seelisches erst hochkommt, wenn das Trauma vorbei ist. Schlafstörungen, Träume und Alpträume, Flashbacks, ständige Erregtheit oder Apathie, Angst, Depressionen, Aggressivität sind die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Bewegen wir uns, nachdem die Corona-Pandemie abgeklungen sein wird, auf eine Pandemie posttraumatischer Belastungsstörungen zu? Wir können dem aber auch etwas ganz Anderes, Konstruktives entgegensetzen: posttraumatisches Wachstum. Dieser Begriff aus der Positiven Psychologie beschäftigt sich mit den Kompetenzen und Stärken, die Menschen in und nach Krisen entwickeln können.
Dabei können wir Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Psychologinnen und Psychologen Wichtiges beitragen: wir erleben uns ja oft in der Situation, viel, viel später zu kommen als die Verletzungen in den Seelen unserer Patientinnen und Patienten passieren. Jetzt erleben wir eine Konstellation, in der wir prophylaktisch wirken können. Wir können Menschen Instrumente an die Hand geben, jetzt, im Trauma, ihre Schutzmechanismen wirkungsvoll und konstruktiv einzusetzen. in der nächsten Zeit werde ich Ihnen hier in meinem psychologischen Corona-Tagebuch über meine Begleitung von Menschen in der Krise einige Erläuterungen zu den folgenden Themen geben:
- Schutzmechanismen: wo sind sie hilfreich und wo stehen sie uns im Weg?
- wenn aktuelles Trauma sich mit alten Traumata vermischt: mein Lebensplan
- Wege, mit dem Trauma konstruktiv umzugehen
- posttraumatisches Wachstum statt posttraumatischer Belastungsstörung

Meine berufliche Situation ist im Moment unverändert. Zur Zeit können wir uns leider nicht in meiner Praxis zum direkten persönlichen Gespräch treffen. Ich kann Ihnen meine professionelle Expertise und meine Erfahrung von 38 Jahren als Klinischer und Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut und als Coach in folgenden Formen anbieten:
- Telefongespräche
- Videotelefongespräche
- Skype
- Chats (schriftlich)
- E-Mail

Dabei können psychotherapeutische Sitzungen mit der Krankenkasse gegenverrechnet werden (Rückvergütung je nach Kasse, meist € 28,00 pro Stunde).
Sie können mich telefonisch unter +43 664 4120755 oder über mein Kontaktformular hier auf der Homepage erreichen.
Hinsichtlich der Wiedereröffnung meiner Praxis in der Herrenstraße möchte ich noch die Entwicklung der kommenden Tage und Wochen abwarten. Wenn es so weit ist, werde ich es hier auf der Homepage posten. Bis dahin: Bleiben Sie zu Hause und passen Sie auf sich und auf uns alle auf!
Ihr
Klaus Sejkora

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