Lebenskrisen

Von einer Lebenskrise sprechen wir dann, wenn im Leben eines Menschen Veränderungen auftreten, die es ihm/ ihr subjektiv und/ oder objektiv unmöglich machen, zu seinem/ ihrem gewohnten Lebensrhythmus zurückzukehren. Die Mechanismen, mit denen man bisher Krisen und Probleme bewältigt hat, funktionieren nicht mehr – das Leben scheint „aus den Fugen“ zu sein. „In Krisensituationen fühlt man sich vom Leben in die Zange genommen: Die Anforderungen, die an einen gestellt werden, und die eigenen Möglichkeiten, die damit verbunden Schwierigkeiten zu bewältigen, stimmen nicht mehr überein.“ (Verena Kast*)

Die Auslöser für solche Lebenskrisen sind manchmal deutlich wahrnehmbar (Arbeitsverlust, Krankheit, drohender oder tatsächlicher Verlust eines nahestehenden Menschen, Mobbing, Verschuldung...), sie können aber auch versteckt und schwerer greifbar sein (älter werden, Entfremdung in der Partnerbeziehung, Erwachsenwerden der Kinder, Verlust von Lebenszielen und Hoffnungen, Karriereprobleme...). Sie können abrupt über die betroffene Person hereinbrechen, quasi über Nacht, sie können sich aber auch langsam und allmählich einschleichen und über verschiedene körperliche und/ oder seelische Symptome erahnbar werden.

Haben Sie Grund zu der Annahme, aktuell unter einer Lebenskrise zu leiden? Wenn drei oder mehr der folgenden Aussagen für Sie zutreffen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es wirklich so ist.

  • Ich möchte einiges in meinem Leben anders haben, aber ich fühle mich nicht fähig, es zu verändern.
  • Ich beneide häufig andere Menschen um ihr Leben oder um Teile ihres Lebens.
  • Ich habe mindestens einmal täglich das Gefühl, dass mir alles zu viel wird.
  • Mindestens einmal pro Woche wünsche ich mir, ich könnte die Zeit zurückdrehen und manches anders machen.
  • In meinem Leben sind im letzten Jahr Veränderungen eingetreten, die ich mir so nicht gewünscht habe.
  • Ich neige in letzter Zeit verstärkt zu übermäßigem Essen, Rauchen, Trinken, Spielen, zu häufiger sexueller Selbstbefriedigung oder anderen Formen der Ablenkung (z.B. Internet).
  • Ich schlafe häufig schlecht (Durchschlaf- oder Einschlafprobleme, frühzeitiges Erwachen).
  • Ich fühle mich körperlich nicht wirklich gesund.
  • Ich habe im letzten Jahr jemanden oder etwas verloren, der oder das mir sehr fehlt.
  • Ich mache mir mindestens drei mal wöchentlich erhebliche Sorgen um meine Zukunft.
  • Ich fühle mich häufig in der ‚Zwickmühle’ und weiß nicht, welche Entscheidung die richtige ist.

Psychotherapeutische Hilfe in Lebenskrisen

Dass sich Krisen im Leben eines Menschen ereignen, ist unvermeidlich – wir alle sind von Schicksalsschlägen, Trennungen, Krankheiten, Alter und Tod betroffen, wir alle machen Fehler, die uns und andere in Krisen bringen. Die Frage ist, wie wir es schaffen, mit ihnen umzugehen, sie zu bewältigen und daraus zu lernen.

Lösungen von Krisen erfolgen auf 3 Ebenen: Fühlen, Denken und Handeln; in einer Krise fest zu stecken bedeutet, dass mindestens eine davon blockiert ist, meist auch mehrere. Das hängt in der Regel nicht nur damit zusammen, dass die aktuelle Krise schwer zu lösen ist, sondern auch damit, dass fast jede Krise auch eine bewusste und – häufiger – unbewusste Erinnerung an ähnliche Krisen früher in unserem Leben ist und an Erlebnisse, Situationen und Gefühle, die wir damals nicht verarbeiten konnten. Neben der Lösung der aktuellen Krise kann also auch oft Verarbeitung früherer, ungelöster Krisen nötig sein.

In der Psychotherapie von Lebenskrisen sind daher insgesamt 4 Aspekte zu berücksichtigen:

  • Die tatsächlichen Ursachen der Lebenskrise herausfinden und benennen: erst, wenn erkannt wird, wovor die Person wirklich Angst hat, was sie/ ihn wirklich blockiert, ist es sinnvoll, über Lösungen nachzudenken. Oft muss der Kern des Problems erst aus mehreren Schichten von schwierigen Lebensumständen herausgeschält werden.
  • Die aktuelle Krise in Angriff nehmen, Lösungen finden: dazu müssen die Blockaden im Fühlen, Denken und Handeln gelöst werden. Nur über Zugang zu allen mit der Krise zusammenhängenden Gefühlen wird das Denken aktiviert und damit sinnvolles handeln möglich.
  • Ungelöste frühere Krisen aufspüren, die an der Entstehung der Blockaden mitbeteiligt sind
  • Die Widerstandsfähigkeit für künftige Krisen verstärken.

Mit diesem 4. Punkt ist folgendes gemeint:

Entscheidend für die Krisenfestigkeit eines Menschen sind seine/ ihre inneren und die äußeren Ressourcen. Die Summe dieser Ressourcen, die Fähigkeit, mit Krisen besser oder schlechter fertig zu werden, nennt man Resilienz.

Die Resilienz eines Menschen setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen (wie z.B. Problemverständnis, persönliche Autonomie, soziale Vernetzung, Selbstmanagement usw.). Sie ist zwar lebensgeschichtlich erlernt und auch in bestimmter Weise genetisch und durch die individuelle Funktionsweise des Gehirns vorgegeben, aber nicht unveränderbar und statisch.

Mittels eines Tests können Sie Ihr persönliches Resilienzprofil , also Ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen, ermitteln.

In der Psychotherapie von Lebenskrisen geht es – als Prophylaxe für künftige Krisen – ganz wesentlich auch um Veränderungen im persönlichen Resilienzprofil.

Texte zum Thema:

Das Wiederentdecken des verdrängten Inneren Kindes: Wege aus Depressionen, Ängsten, Stress, Psychosomatischem Leiden (1995)

„Außen hart und innen ganz weich...“ Männer in der Psychotherapie (1999)

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Warum Männer sich nicht trauen zu vertrauen (2002)

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