Ängste und Panik

Angst, Phobien, Panikattacken, Angstzustände

Diese Gruppe von seelischen Leidenszustände kann in sehr verschiedenen Formen auftreten – von sehr spezifischer Angst vor sehr spezifischen Inhalten über allgemeine Gefühle von Panik bis zu massiven körperlichen Beschwerden. Ebenso unterschiedlich kann das Wissen über auslösende Momente sein: von klarer Zuordnung („seit XY passiert ist, fürchte ich mich“) über diffuse Ahnungen und Vermutungen („es könnte sein, dass es mit YZ zusammenhängt“) bis zu völliger Ahnungslosigkeit („ich kann es mir überhaupt nicht erklären“).

Ängste sind fast immer von mehr oder weniger heftigen körperlichen Symptomen wie Herzklopfen, Atemnot, Schweißausbruch, Zittern, Stuhl- oder Harndrang begleitet. Die häufigsten Erscheinungsformen sind:

Generalisierte Angststörung: weite Bereiche des Lebens werden als angstbesetzt erlebt, insbesondere der Kontakt mit anderen Menschen; häufig auch als Angst vor belebten Plätzen (Kino, Supermarkt...). Die Tendenz, angstmachende Situationen zu vermeiden, führt zu immer größeren Einschränkungen des Lebensraumes und der Bewegungsfreiheit.

Phobische Ängste (Phobien): Richten sich auf ganz bestimmte Dinge, Umstände, Personen, Tiere (z.B. Flugangst, Höhenangst, Klaustrophobie [Angst vor engen Räumen], Spinnenphobie...). Auch hier führt oft die Vermeidung der angstbesetzten Situationen zu starken Lebenseinschränkungen.

Krankheitsängste: Angst, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden (z.B. Krebs, Aids). Kann auf spezifische Organe (z.B. Haut, Geschlechtsorgane) oder jedes beliebige Organ bezogen sein. Oft verbunden mit dem Zwang, sich selbst genau zu untersuchen.

Panikattacken: Heftige körperliche Symptome wie Enge in der Brust, Druck, Atemnot, Zittern, Schwindel, die oft nicht als der Ausdruck, sondern die Ursache der Angst erlebt werden. Menschen mit Panikattacken glauben häufig, an Herzproblemen zu leiden.

Die Psychotherapie von Angst, Panik und Phobien

Die Psychodynamik von Angststörungen ist eine sehr komplexe: bevor Prozesse unter der Oberfläche des Bewusstseins sich als Ängste Bahn brechen, haben sie meist einen langen, oft jahrzehntelangen ‚unterirdischen’ Weg hinter sich. Am Ursprung stehen meist angstbesetzte Situationen, die nicht erfolgreich bewältigt werden können.

Das können ebenso kindliche Traumata – schlimme, manchmal lebensbedrohliche Situationen (z.B. das Erleben von Gewalt, von Verlust, Scheidung der Eltern) - sein wie auch das Aufwachsen in einer hoch angstbesetzten Umwelt (z.B. überängstliche oder überfordernde Eltern). Ebenso können es aber auch erwachsene Traumatisierungen sein (das Erleben angstmachender Situationen wie z.B. einer Scheidung, eines Verlustes, eines Unfalls, einer Krankheit).

In jedem Fall können (oder dürfen) die Ängste nicht entsprechend erfolgreich ausgelebt werden (vom erfolgreichen Ausleben einer Angst spricht man, wenn die ängstliche Person ausreichend Trost und Schutz von anderen Menschen bekommt und die Angst so ertragen lernen kann). Sie werden verdrängt, d.h. sie rutschen ins Unbewusste ab.

Durch Auslöser im gegenwärtigen Leben kommen sie wieder an die Oberfläche; solche Auslöser sind meist Krisensituationen im Leben (Krankheit, Trennung, Arbeitsprobleme, Erziehungsprobleme mit den eigenen Kindern...), die als Überforderung erlebt werden und daher Angst machen. Aber sie wird quasi ‚verschoben’ wahrgenommen – sie richtet sich nicht auf das, was tatsächlich Angst macht (und schon gar nicht auf das, was unbewältigt aus der Vergangenheit kommend Angst macht), sondern auf etwas anderes: Krankheit, belebte Plätze, Flugzeuge, enge Räume, Spinnen und vieles andere mehr.

Entsprechend dieser – sehr vereinfacht dargestellten – Entstehung der Angstsymptomatik setzt die psychotherapeutische Behandlung auf drei Ebenen an:

  • Um die Angst überwinden zu können, ist es notwendig, zu lernen mit ihr zu leben – das heißt, sie auszuhalten und ertragen zu können. Das kann für manche Menschen ein sehr mühsamer Weg sein, denn sie haben ja oft viele Jahre damit zugebracht, der Angst aus dem Weg zu gehen. Zentrale Erkenntnis ist „Ich kann die Angst aushalten, sie bringt mich nicht um!“ Hilfreich dabei sind therapeutische Techniken wie Desensibilisierung, Autosuggestion, Erlernen und Verlernen.
  • Zugleich geht es um das Erkennen dessen, was mit der aktuellen Angst zugedeckt wird – um die Frage „Wovor habe ich wirklich Angst?“ (nicht vor dem Flugzeug, sondern z.B. davor, ausgeliefert zu sein und die Kontrolle zu verlieren; nicht vor den Menschen im Supermarkt, sondern z.B. davor, eigenständig und selbstverantwortlich zu sein; nicht vor dem Hautkrebs, sondern z.B. davor, mich von meinem Partner zu trennen) In dem Maß, wie die tatsächliche Angst gesehen und bewältigt werden kann, in dem Maß, wie der Mensch sein/ ihr gegenwärtiges Leben und seine/ ihre gegenwärtigen Probleme erfolgreich meistert, in dem Maß kann er/ sie sich von den angstbesetzten Dingen und Handlungen lösen. In diesem Aspekt geht es psychotherapeutisch gesehen um Ich-Stärkung und Identität.
  • Schließlich wird tiefenpsychologisch analysiert, wo der Mechanismus der Angstunterdrückung (der später in einem verschobenen Hervorbrechen resultiert) herkommt. Die lebensgeschichtlichen Angstsituationen werden verarbeitet – ob sie aus frühen kindlichen Traumata oder aus erwachsenen unbewältigten Stresssituationen (im Sinne einer posttraumatischen Stressreaktion [PSD]) rühren.

Die Dauer der psychotherapeutischen Behandlung bei Angststörungen kann sehr unterschiedlich lang sein, je nachdem, wie viele Bereiche des Lebens die betreffende Person schon eingeschränkt und abgetrennt hat. In jedem Fall empfiehlt sich, nicht lange mit dem Aufsuchen psychotherapeutischer Hilfe zu warten: je weniger verfestigt das Angstsyndrom ist, umso rascher ist Heilung möglich.

Texte zum Thema:

Die Angst der Männer vor den Frauen (1995)

Das Wiederentdecken des verdrängten Inneren Kindes: Wege aus Depressionen, Ängsten, Stress, Psychosomatischem Leiden (1995)

„Außen hart und innen ganz weich...“ Männer in der Psychotherapie (1999)

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Warum Männer sich nicht trauen zu vertrauen (2002)

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