Depressionen

Die Depression gilt als die häufigste seelische Erkrankung und zählt zu den fünf häufigsten Erkrankungen des Menschen überhaupt. Man kann – je nach Intensität, Häufigkeit und Dauer der Symptome – fünf verschiedene Arten der Depression unterscheiden:
  

  • Kurzzeitige depressive Störung (depressive Belastungsreaktion, depressive Krise): in unmittelbarem Zusammenhang mit und als Ausdruck einer krisenhaften Lebenssituation; im allgemeinen von kurzer zeitlicher Dauer (unter zwei Wochen), kann aber u. U. zu einer verfestigten Symptomatik führen
  • Depressive Episode: Dauer 2 Wochen bis mehrere Monate; kann sowohl eine einmaliges und nicht wiederkehrendes Ereignis als auch der Beginn einer länger dauernden Erkrankung sein (wiederkehrende Depression, anhaltende Depression, manisch-depressive Erkrankung)
  • Rezidivierende (wiederkehrende) depressive Erkrankung: in unregelmäßigen oder regelmäßigen Abständen wiederkehrende depressive Episoden (vermutlich die häufigste Form depressiver Erkrankungen)
  • Anhaltende (chronische) Depression: länger als 2 Jahre
  • Bipolare (manisch-depressive) Erkrankungen: depressive Episoden wechseln mit manischen, d.h. solchen mit übertriebener Energie und Euphorie, ab.

Charakteristische Symptome einer depressiven Episode:
Es liegt kein massiver Auslöser, wie bei einer depressiven Belastungsreaktion, vor (z.B. Todesfall, Trennung, Arbeitsverlust usw.)
Hauptsymptome: mindestens 2, eher 3 der folgenden Symptome müssen mindestens 2 Wochen lang aufgetreten sein:

  • Gedrückte Stimmung
  • Interessenverlust, Freudlosigkeit
  • Antriebsminderung

Andere Symptome: von den folgenden Symptomen müssen mindestens 2 – 4 ebenfalls auftreten:

  • Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Schuldgefühle, Gefühl von Wertlosigkeit
  • Negative und pessimistische Zukunftsperspektive
  • Gedanken an Selbstmord, erfolgte Selbstverletzung oder Selbstmordversuch
  • Schlafstörungen
  • Verminderter Appetit

Körperliche Symptome: ihr Auftreten erhärtet die Diagnose auf Vorliegen einer Depression:

  • Wenig bis keine Reaktion auf freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse
  • Frühmorgendliches Erwachen (2 Stunden oder mehr vor der üblichen Zeit)
  • Morgentief von Stimmung und Antrieb
  • Bewegungshemmung oder übermäßiger Bewegungsantrieb
  • Deutlicher Appetitverlust
  • Unbeabsichtigter Gewichtsverlust (5% oder mehr) im letzten Monat
  • Deutliche Reduktion des sexuellen Antriebs
     

Wenn Sie tatsächlich unter diesen Symptomen leiden, ist das kein Grund zur Scham: viel mehr Menschen als Sie glauben leiden an ganz ähnlichen Problemen; auch viele Prominente haben sich in den letzten Jahren als depressiv geoutet (so z.B. der verstorbene Zeit-im-Bild – Moderator Robert Hochner).
Es ist auch kein Grund für Panik und Verzweiflung: Depressionen können psychotherapeutisch und ärztlich (medikamentös) behandelt werden.

Psychotherapie der Depression

Die Ursprünge depressiver Erkrankungen liegen meist früh im Leben: ein Mangel an Zuwendung, an Interesse, das Gefühl, zu wenig zu sein, ist der Ausgangspunkt für ein labiles Selbstwertgefühl.
Gleichzeit erleben depressiven Menschen ihr Leben, ihr soziales Umfeld, die ganze Welt als eine immer wiederkehrende Wiederholung dieses Mangels; das ursprüngliche Gefühl, wertlos zu sein, wird an realen Situation und auch in vorgestellten verstärkt und wiederbelebt.
Dementsprechend setzt die Therapie der Depression an diesen beiden Eckpunkten – dem ursprünglichen Gefühl der Entwertung und der Verstärkung im heutigen Leben – an.

  • Die lebensgeschichtlichen Wurzeln der Depression (tiefenpsychologischer Zugang): im Verarbeiten der bewussten und unbewussten (verdrängten) Erfahrungen der Kindheit wird Distanzierung von dem ursprünglichen Gefühl der Wertlosigkeit und damit das Entstehen von gesundem Selbstwert möglich lassen (vgl. Textlink „Das Wiederentdecken des Inneren Kindes: Wege aus Depressionen, Ängsten, Stress, Psychosomatischem Leiden (1995)“).
  • Depressives Verhalten und Fühlen ist durch tausendfache Wiederholung erlernt und eingeprägt (lernpsychologischer Zugang). Daher muss es auch wieder verlernt werden. Das bedeutet einen Prozess vieler kleiner Schritte, begleitet durch die positive Verstärkung des Therapeuten. Für den Patienten/ die Patientin heißt das, immer wieder seine/ ihre Angst vor neuerlichem Misserfolg zu überwinden. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, ob es gelingt, sich der Selbstentwertung zu widersetzen, die jedem positiven Schritt folgt wie das Amen im Gebet: „Ja, schon, das ist ein Erfolg – aber ein normales Leben ist das doch nicht, für alle anderen ist das selbstverständlich.“ Die Überwindung des Glaubenssatzes „ich bin nichts wert“ ist die zentrale Aufgabe in der Überwindung der Depression.

Texte zum Thema:

„Außen hart und innen ganz weich...“ Männer in der Psychotherapie (1999)

Der Prozess der Skriptbildung in tiefenpsychologisch-transaktionsanalytischer Sicht (1993)

Praxis der psychotherapeutischen Arbeit mit Träumen (1995)

Beziehungsorientierte Kurzzeittherapie (1998)

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